Re: Mikio Naruse

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fifteenjugglers
war mit Benno Fürmann in Afghanistan

Registriert seit: 08.07.2002

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Nachfolgend zwei weitere Besprechungen von Filmen aus der Naruse-Reihe. Ich bemühe mich, die übrigen Filme chronologisch zu ergänzen, gefolgt von einem Fazit der gesamten Reihe.


„Uta andon“ („The Song Lantern“, 1943)

Von Naruse selbst stammt der Ausspruch, er habe zwischen „Wife! Be Like A Rose!“ von 1935 und „Repast“ von 1951 keinen einzigen Film von Bedeutung gedreht. Welchen Grund er dafür auch immer gehabt haben mag (das Arbeitsklima im nationalistisch-militaristisch geprägten Japan der Kriegs- und unmittelbaren Vorkriegszeit mag eine Rolle gespielt haben) – er tut damit mindestens einem seiner Werke, dem 1943 entstandenen „The Song Lantern“, bitteres Unrecht an.
Wie in „Tsuruhachi And Tsurujiro“ spielt auch in diesem Film eine alte japanische Bühnentradition eine zentrale Rolle: das No-Theater.
Die Handlung ist überschaubar: Kitahachi (Shotaro Hanayagi), ein junger No-Sänger, Angehöriger einer berühmten Tokioter Schule, demütigt Sozan (Tadao Murata), einen überheblichen Amateursänger derart, dass dieser sich anschließend das Leben nimmt. Daraufhin wird er von Genzaburo (Ichijiro Oya), Chef der Schule und gleichzeitig sein Ziehvater, aus der Truppe ausgeschlossen. Zudem wird ihm untersagt, jemals wieder ein No-Stück zu singen.
Von da an zieht Kitahachi fast mittellos durchs Land und verdient das Überlebensnotwendige als Straßensänger. Von einem Weggefährten erfährt er, dass Sozans Tochter Osode (Isuzu Yamada) gezwungen ist, ihren Unterhalt als Geisha zu verdienen – eine Rolle, mit der sie aus Mangel an musikalischem Talent mehr schlecht als recht zurecht kommt. Kitahachi sucht sie auf und bringt ihr einen No-Tanz bei, der ihr helfen soll, respektablere Engagements zu erhalten – der erste Schritt auf dem Weg zur Vergebung.
Bewertung: 7/10.

„Meshi“ („Repast“, 1951)

In „Meshi“ ist Naruses scheinbare Unscheinbarkeit auf die Spitze getrieben. Alles wiederholt sich: Der Nachbar, der mit schöner Regelmäßigkeit morgens sein Lunchpaket vergisst, der kleine Schuljunge, der stets an der selben Stelle auf die Nase fällt. Auch die Ehe von Hatsunosuke (Ken Uehara) und Michyo (Setsuko Hara) ist in immergleichen Ritualen erstarrt – die allerdings durchaus hilfreich sind, um die alltäglichen Reibereien mit vergleichsweise milden Blessuren zu überstehen. Das ändert sich, als Hatsunosukes Nichte Satoko (Yukiko Shimazaki) sich bei den beiden einquartiert. Die Vertraulichkeit zwischen Onkel und Nichte ist Michyo ein Dorn im Auge, und obwohl nicht allzu viel vorgefallen ist, macht sie sich auf nach Tokio, um für unbestimmte Zeit ihre Familie zu besuchen.
Der Rest des Films zeigt Michyos zaghaftes Streben nach Unabhängigkeit und parallel dazu Hatsunosukes Kämpfe mit den Widrigkeiten häuslicher Verrichtungen, was durchaus komische Momente zeitigt.
Zum Schluss stellt Hatsunosuke fest, dass er nicht ohne seine Frau leben kann, und Michyo fehlt der Mut, sich vollständig von ihrem Mann zu lösen. Die endgültige Versöhnung erfolgt auf der Heimfahrt im Zug, und diese Szene ist ebenso grandios wie erhebend, der Unterordnung unter gesellschaftliche Zwänge zum Trotz.
(Überhaupt, es muss einmal gesagt werden: Naruse mag zwar nicht zu den ganz großen Meistern des Kinos zählen (ich weiß, einige behaupten das Gegenteil), aber kaum jemand sonst bringt mit dieser Regelmäßigkeit Schlussszenen von derartiger Einprägsamkeit und emotionaler Wucht zustande.)
Bewertung: 8/10.

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"Don't reach out for me," she said "Can't you see I'm drownin' too?"