Re: Ossi oder Wessi?

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daniel_belsazar

Registriert seit: 19.04.2006

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wolleich hab während der Wendezeit und die Jahre danach sehr viele unterschiedliche Politikmagazine im TV verfolgt, auch bei Phoenix die Dokumentation über die Treuhand angeschaut….etc

So wie man mit dem Ostteil der Republik umgegangen ist, der Westteil wie ne Kolonialmacht über den Ostteil hergefallen ist , nach dem Motto: „wir wissen und können eh alles besser wie ihr“, alles platt gemacht hat, sich nur die Rosinen wie Jenoptik rausgepickt hat, und sich wie ne Siegermacht verhalten hat – nicht nur die Politik – sondern die meisten in der Wirtschaft, die sich ne schnelle Mark verdienen wollten, dann sieht man halt wie das heute auschaut in vielen Teilen des Landes bei Arbeitslosigkeit ,Perspektivlosigkeit, Rechtsextremismus…

Es ist in den 16 Jahren viel aufgebaut worden.
Die aus den Vorgängen der Jahre ab 1990 resultierende Verlierermentalität, die auch heute noch vieles verhindert, hätte vermieden werden können, wenn 2 gleichberechtigte Partner an den runden Tischen gesessen hätten!
Das schlimmste war , dass von vornherein das System der „Sieger“ in einer Art und Weise geherrscht hat , die dem andern keine Chance gelassen hat, eigene Ideen und Vorstellungen durchzusetzen und sich entfalten zu können.

Ich habe das Ganze nicht nur im TV, sondern als damaliger Berliner in vielen Bereichen ziemlich nahe vor Ort in West wie Ost erlebt.

Dass es in Umbruchzeiten Gewinnler gibt, wird wohl nie zu vermeiden sein. Natürlich gibt es da immer wieder äußerst übel ekelhafte Figuren – allerdings stammen die von allüberall, ob Ost, ob West, ob Nord, ob Süd. Das ändert nichts an den Grundgegebenheiten.

Die DDR war wirtschaftlich komplett am Ende, ein einziges Desaster. Die Region wurde 40 Jahre ausgeplündert und vergewaltigt, die Substanz schlicht verbraucht, es gab so gut wie keine Erhaltsinvestitionen. Das Land war pleite, bankrott, nicht umsonst hat ja die Führung Insolvenz gemeldet.

Die Treuhand übernahm die Resteverwertung, die in Teilen übrigens verdammt teuer wurde. Aber immerhin hat Deutschland seine Kohlendioxid-Bilanz durch die Einstellung der auf der allgegenwärtigen Braunkohle basierenden DDR-Wirtschaft bis heute in allen weltweit vereinbarten Rahmen halten können … da sind wir aber stolz drauf!

Die „Kolonialmacht“ wurde lauthals herbeigerufen, hast Du das vielleicht vergessen? Als Bürger der Kolonialmacht hätte ich da übrigens aus verschiedenen Gründen gerne drauf verzichtet, aber: Ich wurde nicht gefragt. Meine Brüder und Schwestern per Volkskammerwahl schon eher, und deren Votum war ziemlich deutlich.

Im übrigen ist der Begriff „Siegermacht“ so ganz verkehrt nicht – schließlich ging mit der Kapitulation / Bankrotterklärung der DDR ein zwar kalter, aber dennoch ein System-„Krieg“ zu Ende. Ist es da ein Wunder, wenn sich die Sieger auch wie solche aufführen?

Gleich im ersten Jahr nach der Wende haben 1 Mio von 17 Mio Einwohnern „rübergemacht“ und sich gute Jobs im Westen gesucht … durchaus gleichberechtigt. Und meines Wissens haben unsere Brüder und Schwestern die gleiche Stimme bei Wahlen, die auch ich habe. Und sie haben genauso viel oder wenig Chancen wie irgend jemand anderes im Kapitalismus, es sei denn, man erbt einige Millionen oder Milliarden.

Ich finde einfach keine Gründe für selbstmitleidige Krokodilstränen, tut mir leid. C´est la vie.

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