Re: Mikkos Album des Monats

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mikko
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Port O’Brien – All We Could Do Was Sing (LP/CD, City Slang, www.myspace.com/portobrien)

Besetzung:

Van Pierszalowski – vocals, guitars
Cambria Goodwin – vocals, banjo
Zebedee Zaitz – guitars
Caleb Nichols – bass
Joshua Barnhart – drums

Trackliste:

01. I Woke Up Today
02. Stuck On A Boat
03. Fisherman’s Son
04. Don’t Take My Advice
05. Alive For Nothing
06. My Eyes Won’t Shut
07. Pigeonhold
08. Will You Be There
09. The Rooftop Song
10. In Vino Veritas
11. Close The Lid
12. Valdez

Ein Vorabexemplar dieser Platte befindet sich bereits seit gut zwei Monaten in meinem Besitz. So richtig gezündet hat die Musik der Band aber zunächst nicht bei mir. Dabei haben die Songs mehrheitlich eine ganz schlichte, fragile Schönheit. Die meisten Lieder schrieb Van Pierszalowski, ein junger Lachsfischer, der die Sommermonate gewöhnlich auf einem Trawler in den Fischereigewässern vor Alaska verbringt. Seine Freundin Cambria Goodwin, aus einem kleinen Nest in Kalifornien gebürtig, folgte ihm nach Alaska und arbeitete dort in der Konservenfabrik. Von ihr stammen die restlichen Songs auf der Platte. Als die beiden merkten, dass ihnen die Musik sehr viel bedeutet und dass es auch andere Leute gibt, die ihre Lieder mögen, da beschlossen sie, eine richtige Band zu gründen. Joshua Barnhart an den Drums und Caleb Nichols am Bass stießen zu den beiden. Und so wurde das Fundament für den Bandsound während der kurzen Landgänge der Lachsfischer in einem stürmischen Sommer in Port O’Brien auf der Kodiak Insel vor der Küste Alaskas gelegt. Ganz so romantisch wie das klingt, war es sicher nicht. Denn nicht nur die Natur und das Wetter sind dort rau, auch die Arbeiter in den Fischindustrie Alaskas sind von eher derber Art. Umso gelungener sind die Songs, ist die Musik, die einerseits die Atmosphäre einfangen und zugleich aber auch konterkarieren. Im Studio in San Francisco wurde das dann noch verfeinert und abgerundet mit wunderbaren Streichersätzen, sägenden Gitarren und perkussivem Banjo. Mit Zebedee Zaitz stieß ein weiterer Gitarrist zur Band, und das Ganze funktioniert nun auch live großartig, wovon man sich bereits bei einigen Gigs hier überzeugen konnte. „I Woke Up Today“, der optimistische, vorantreibende Opener der Platte, läuft inzwischen zumindest in Berlin täglich im Radio. Die Musik hat etwas bodenständig Solides. Die Songs erzählen von den Erfahrungen und Erlebnissen der Lachsfischer aber auch von ihren Träumen und Hoffnungen. „Fisherman’s Son“ ist so ein wundervoller Song, der in seiner Einfachheit berührt. So stelle ich mir moderne Volksmusik vor. Nicht Weird Folk, nicht exaltierte Eskapaden, sondern musikalisch traditionell und doch neu und eigenständig. Ist das Americana? Nicht so richtig. Obwohl es natürlich amerikanische Folk Traditionen aufgreift und weiterführt. Mich erinnert hier nichts an Bright Eyes (zum Glück) und auch nichts an Arcade Fire, wie manch andere Rezensenten. Denn diese Platte ist weder langweilig noch pathetisch schwülstig. Wenn man so will ist es das eher derbere, weniger poppige Spiegelbild meines letzten Albums des Monats. Man kann Port O’Brien sicher nicht wirklich mit den Fleet Foxes vergleichen, aber eine gewisse Ehrlichkeit und Naturverbundenheit ist beiden Bands gemeinsam. Je öfter ich „All We Could Do Was Sing“ höre, desto mehr bin ich überzeugt, dass da eine ganz neue amerikanische Roots Rock Tradition begründet wird. ****

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