Re: 25 feine Damenstimmen

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friedrich

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Wäre doch ein Jammer, wenn dieser Thread einschliefe. 25 Sängerinnen waren von asdfjkö (was für ein schöner und einprägsamer Nickname!) angekündigt, aber nach Nummer 20 verstummte er. Schade!

Freund vorgarten erwähnte noch ein paar Sängerinnen, die es wert sind entdeckt und gehört zu werden. Dank einer ebenso amüsanten wie geistreichen kleinen Fortbildung habe ich zumindest oberflächliche Bekanntschaft mit der einen oder anderen Kandidatin gemacht. Ich habe nicht schlecht Lust, diese Serie ein bisschen fortzusetzen. Meine Kenntnisse sind jedoch nur rudimentär, denn ich entdecke selbst noch. Learning by listening. Man verzeihe mir also Ungenauigkeiten und Irrtümer. Ergänzungen und Kommentare sind erwünscht.

Teil 21 : Karin Krog

Karin Krog ist die bislang erste Europäerin in diesen Reihen. Täusche ich mich oder ist sie auch die bislang erste, die noch unter den Lebenden weilt?

Geboren 1937 in Oslo, Norwegen.

Seit Mitte der 50er Auftritte als Sängerin in lokalen Clubs, erstes Solo-Album BY MYSELF im Jahr 1964.

Erfolge auf europäischen Festivals, sie spielt mit späteren Größen des skandinavischen Jazz wie Jan Gabarek und Niels-Henning Orsted Petersen, später auch mit anderen europäischen Musikern.

1967 nennt DOWN BEAT sie „Artist Deserving Wider Recognition“. Anfang der 70er USA-Besuche, zurück in Oslo Auftritte und Aufnahmen mit solch Musikern wie Dexter Gordon und Kenny Drew, die von Amerika ins europäische Exil gegangen waren.

In den 80ern weiterhin Aufnahmen und Tourneen. 1987 gründet sie ihr eigenes Label MEANTIME RECORDS.

Nicht unerwähnt soll bleiben: 2005 wird Karin Krog von König Harald V mit dem Sankt-Olavs-Orden Erster Klasse ausgezeichnet. :lol:

Warum kennt außerhalb Skandinaviens kaum jemand Karin Krog?

Eigentlich war sie zur rechten Zeit am rechten Ort. Man stelle sich mal vor, welch katalytische Wirkung die Anwesenheit von Leuten wie Dexter Gordon auf die skandinavische Szene hatte! Um eine große Swing-Sängerin zu werden, war sie aber definitiv zu spät dran und Oslo ist dafür wohl auch nicht der beste Ort. Blöderweise wurde die gerade aufgeblühte Jazz-Szene Ende der 60er auch schon wieder vom Rock überrollt und Jazz-Gesang hatte keine Konjunktur mehr. Für den Boom der skandinavischen Sängerinnen ist sie dann aber auch schon wieder ein-zwei Generationen zu alt. Pech! Das sagt aber gar nichts über die Klasse ihrer Musik aus.

Auch ich hatte bis vor einer Woche gerade mal ihren Namen gehört. Beim Begriff „Skandinavische Jazzängerin“ zucke ich normalerweise instinktiv mit den Schultern. Aber Karin Krog kann man eben nicht mit der gegenwärtigen Flut gefällig singender Blondinen aus dem Norden in Verbindung bringen. Hier haben wir es mit einer Frau von ganz anderen Format zu tun, die ihre Karriere begann, als Jazz in Europa seine ersten Schritte wagte und die in ihrem Heimatland und später auch darüberhinaus nicht nur eine treibende Kraft war sondern auch ihren sehr individuellen Gesangsstil entwickelt hat.

Sehr empfehlenswert ist die Platte SOME OTHER SPRING (Meantime) von 1970 mit keinem geringeren als Dexter Gordon als Co-Leader, Kenny Drew am Piano, NHOP am Bass u.a. Karin Krogs Stil ist immer etwas keck, tongue-in-cheek, aber lässig, cool, unterkühlt sexy und waaahnsinnig hip! Man sieht es förmlich vor dem geistigen Auge, wie sie bei manchen Passagen eine Augenbraue (aber nur eine!) hoch zieht. Schon wie sie auf dem Titelstück bei den Zeilen „Sun shines around me / but deep in my heart / it’s cold as ice“ das Wort “Ice“ phrasiert, ist so unnachahmlich cool, dass sich alleine deswegen die Anschaffung der Platte lohnt. Ich weiß nicht genau, wie ich das nennen soll: Ist das Ironie? Cleverness? Das Thema „Lyrisches Ich“ hatten wir ja schon mal … Wie auch immer, auf dem Alternate-Take von SOS verzichtet sie jedenfalls auf diesen Effekt und das Stück verliert sofort an Reiz. Das sind nicht nur Kabinettstückchen (so vordergründig kommen sie auch nicht), sondern genau das macht den Reiz von KKs Gesang aus.

Für mich verblüffend auf SOS ist aber auch ihr völlig unironisches Tribut an den Sänger Jimmy Scott* (mit den Stücken I WISH I KNEW und EVERYBODY’S SOMEBODY’S FOOL), dessen Gesangsstil eigentlich ihrem eigenen diametral gegenübersteht. Ihre Hausaufgaben hat sie also auch auf jeden Fall gemacht.

Weitere Platten kenne ich noch nicht. Könnte sich aber lohnen.

F.

* Jimmy Scott ist ein us-amerikanischer Sänger, der aufgrund einer Erbkrankheit nicht in den Stimmbruch kam und daher in Sopran-Lage singt. In den 50er/60ern war er erfolgreich, kam dann aufgrund vertraglicher Probleme unter die Räder und hatte erst in den 90ern ein Comeback. JS kann herzergreifend jammern und klagen ohne seinen Stolz zu verlieren. Ein Thema für sich.

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„Für mich ist Rock’n’Roll nach wie vor das beste Mittel, um Freundschaften zu schließen.“ (Greil Marcus)