Re: Sonic´s Country Music Hall Of Fame

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sonic-juice
Moderator

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Noch ein kleiner Nachschlag, um Kaufeninteressierte weiter zu verwirren…

Patsy Cline – The Patsy Cline Collection
(MCA 1991)

Wer mit „The Patsy Cline Story“ oder ihren beiden Decca-Alben noch nicht genug von Patsy hat, wird sich früher oder später die großartige 4-CD-Box “The Patsy Cline Collection“ zulegen müssen, die mit 104 Tracks fast alle recording sessions in chronologischer Reihenfolge bis zu ihren letzten Aufnahmen vom 7. Februar 1963 präsentiert (ein kursorischer Abgleich mit der Diskographie zeigt, dass aus der Zeit bis einschließlich 1957 einige Studiotracks fehlen). Zudem hört man diverse Liveaufnahmen, beginnend mit ihrem frühesten Radioauftritt „I´m Walking The Dog“ vom August 1954.

Da wir uns hierbei deutlich in der Kür befinden, ist das natürlich nicht alles gleichermaßen zwingend. Gleichwohl ist die Nachverfolgung ihrer künstlerischen Entwicklung äußerst reizvoll: nicht nur, weil ihre Interpretationen den Stoff im Laufe der Zeit immer souveräner durchdringen, sondern auch weil sie sich ab Mitte der 50er Jahre, als sich Country, Blues, Pop und Rock´n Roll erst langsam auseinanderlebten, an diversen Stilistiken und Genres erprobte.

Gerade die frühen Aufnahmen, die auf den ersten beiden CDs zu hören sind, demonstrieren eine elanvolle Ungestümheit im Umgang mit dem Material, die den späteren Aufnahmen fehlt. Besonders liebenswert sind – neben ihrer ersten Erfolgssingle „Walking After Midnight“ – beispielsweise das frühe „Honky Tonk Merry Go Round“ (1955), der wundervoll groovende Blues von „Don´t Ever Leave Me Again“, der Rock´n´Roll von „Stupid Cupid“ und „Love, Love, Love Me Honey Do“ (ob die Beatles diesen Song wohl kannten?), das Cash-nahe „Gotta Lot Of Rhythm In My Soul“ und das schwungvolle „Crazy Dreams“, welches einem beim Refrain einen regelrechten Schubs versetzt. Besondere Hervorhebung verdient Patsy Cline´s überraschend flott rockende Interpretation von „Lovesick Blues“, welche durch die schwerelose Aneignung der anspruchsvollen Gesangsmelodie schier entzückt, zumal sie trotz des Tempos keinen einzigen Schnörkel überspringt. Dagegen sieht selbst Ryan Adams´ tolle Einspielung etwas ältlich aus.

Der Sound der Überspielungen ist bestens. Wo möglich, wurde auf die original Master Tapes zurückgegriffen. Das sowieso kaum hörbare „tape hiss“ wurde dankenswerter Weise nicht auf Kosten des Klangspektrums herausgefiltert (wer mal das Unvergnügen hatte, z.B. die erste nicht remasterte CD-Edition von Miles Davis´ „Kind Of Blue“ zu hören, weiß, dass man auch viel Unheil bei der Digitalisierung anrichten kann).
Ein liebevoll gestaltetes 64-seitiges Buch ergänzt die Box. Neben einer akribischen Auflistung der Aufnahmesessions mit allen beteiligten Musikern wird in einem langen Essay Patsy´s Geschichte erzählt und jede einzelne Aufnahme (!) gewürdigt. Auch mit kritischen Worten zu einzelnen Tracks wird nicht gegeizt, so dass man sich nicht von fan-tümelndem Überschwang gelangweilt fühlt (durchaus eine Seltenheit bei Boxsets!).

Fazit: keine Pflicht, aber gleichwohl uneingeschränkt empfehlenswert! Die Box sollte für 25-30 € first or second hand erhältlich sein.

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