Re: Hörgewohnheiten

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ah-um

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@ Daniel:

Du hast einige Veränderungen, denen das Kunstwerk im Zeitalter der Massenkultur ausgesetzt ist, im Prinzip zutreffend beschrieben. Mir ist jedoch nicht ganz klar geworden, ob du deshalb diesen Kunstwerken ihren Kunstcharakter absprechen willst oder nicht. Ich würde das nicht tun.

Zunächst ist es alles andere als neu, dass die Kunst nach dem Brot geht. Künstler wollten und mussten zu allen Zeiten von ihrer Kunst zunächst ihren Lebensunterhalt finanzieren. Und dass einige Wenige dabei sogar richtig reich wurden, ist auch kein neues Phänomen des 20. und 21. Jhd.

Weiter trifft es sicher zu, dass gerade Popkultur dazu neigt sich als „Event“ zu inszenieren. Wenn man also eine Bobo-CD in den Händen hält, wird man nicht ganz außer Acht lassen können, dass zu einem vollständigen Bild auch die Tanzdarbietungen, Videoclips, Pyrotechnik, Bravo-Starschnitte und die Selbstinszenierung des Protagonisten in Fernsehshows etc. gehören. (Im Übrigen: Statt DJ Bobo könnte man hier auch Beatles einfügen.)
Aber das ändert mE nichts daran, dass es sich bei der CD weiterhin um ein Werk der Tonkunst handelt.
Direkt gesagt: Ich habe ein wenig den Eindruck, als hängtest du selbst noch einem romantisierenden Knstbegriff an, den du eingangs mE zu Recht selbst kritisiert hast.

Und noch ein Wort zu Live-Konzert vs. Tonkonserve:
Ich denke nicht, dass man das Eine gegen das Andere ausspielen sollte. Es handelt sich um zwei unterschiedliche Formen der Musikdarbietung. Gerade bei der Popmusik dient die Tonaufnahme in der Regel gar nicht dazu, die Illusion eines Live-Konzerts im eigenen Wohnzimmer zu erwecken. Vielmehr wird ganz bewusst mit den Mitteln der Studiotechnik in die Musik eingegriffen, um ein Kunstwerk eigner Art zu schaffen.
Und dass der Genuss einer Tonkonserve anders als der eines Konzertes beliebig wiederholbar ist, betrachte ich eher als Vorteil denn als Nachteil. Es würde ja auch niemand auf die Idee kommen, Bücher deshalb gering zu schätzen, weil man sie mehrmals lesen kann (oder weil Tausende andere das gleiche Buch besitzen).

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There is a crack in everything; that's how the light gets in. (Leonard Cohen)