Startseite › Foren › Über Bands, Solokünstler und Genres › Solokünstler › Joanna Newsom › Re: Joanna Newsom
„The Milk-Eyed Mender“ finde ich ganz großartig und ich habe damals nach den ersten Höreindrücken eine amazon-Rezension geschrieben, die ich hier mal reinkopiere:
„Erfrischend versponnen
Wenn man als hübsche Frau im zarten Alter von 22 Jahren ausgerechnet die Harfe als Hauptinstrument hat und dazu noch ein wenig so aussieht, als habe man sich aus Jim Henson’s ‚Dunklem Kristall‘ in die rauhe Welt der Menschen verirrt, dann ist es wohl ausgemachte Sache, daß die Musikpresse sofort mit Etiketten wie ‚elfenhaft‘ und ‚weltentrückt‘ zur Hand ist. Allerdings finde ich nicht, daß Joanna Newsom besonders gut in diese Schublade paßt. Die zwölf Songs von ‚Milk-Eyed Mender‘ mit ihren versponnenen Texten zeigen ganz im Gegenteil eine beträchtliche Spannbreite im Ausdruck. Bezaubernd allerdings ist die Musik allemal.
Joanna Newsom hat eine klassische Ausbildung auf ihrem Instrument. Sie weiß es sparsam und nuancenreich einzusetzen, und es wirkt nicht einen Moment wie eine Beschränkung, daß weder Schlagzeug noch Baß die Songs untermalen. Perkussiv kann man auch auf der Harfe spielen (wie zum Beispiel auf ‚The Book of Right-on‘ oder auch auf ‚Sadie‘). Ab und an greift sie auch in die Tasten eines Pianos (etwa auf dem herrlich störrischen ‚Inflammatory Writ‘) oder einer Wurlitzer. Die Reduktion auf Stimme und begleitendes Instrument bringen die Songs voll zur Geltung. Und mitreißend genug sind die Songs der CD. Und natürlich die Stimme von Joanna. Über die ist viel und vor allem nicht gerade sachliches geschrieben worden: Sie klänge, als habe Joanna Helium eingeatmet. Die Stimme wäre Produkt eines verkürzten Kehlkopfs. Und vor allem: Newsom sänge wie eine durchgeknallte Zehnjährige. Das ist freilich alles Quatsch. Zwar gibt es Momente, in denen der Gesang ausgelassen und kindlich naiv wirkt (‚silly‘ sagt sie selbst in einem Interview), aber das ist nur einer von vielen Ausdrucksarten, die bewußt eingesetzt werden. Die Stimme klingt zart, zärtlich, nörgelnd, ruppig, störrisch, ironisch, aufbrausend, dann zurückhaltend etc. etc, manchmal alles in einem Song. Gesang wirkt hier wie ein improvisierendes Instrument. Dafür, daß Newsom keine Gesangsausbildung hat, setzt sie ihre Stimme sehr kontrolliert ein. Einlassen allerdings muß man sich auf sie, und ein bißchen Freude an Exzentrik sollte man auch mitbringen.
Joanna Newsom kommt aus dem Umfeld der sogenannten ‚New Weird America‘-Szene, zu der auch Devendra Banhart (mit dem sie zusammen in der Band Vetiver spielt) und CocoRosie gehören. Entdeckt wurde sie von Will Oldham. Wie die ganze Szene besitzt auch ‚The Milk-Eyed Mender‘ eine sehr lebendige Kraft, die in der gegenwärtigen Musik eher selten ist. Sehr erfrischend und versponnen, aber alles andere als kindisch.“