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Es ist immer seltsam über einen Gegenstand zu schreiben, dem man sich nicht unemotional nähern kann, mit dem einen eine Verliebtheit verbindet, die sich immer ein wenig der Verbalisierung sträubt. Vielleicht habe ich deswegen ein wenig vor mir hergeschoben über das Konzert in der Fabrik zu schreiben, wohl wissend, daß sich gerade die wesentlichen Gefühle eines solchen Abends wenig anderen faßbar machen lassen und im schlechtesten Falle einen sentimentalen Beigeschmack tragen. Fraglos ist es so, daß die beiden Alben Hanne Hukkelbergs im letzten Jahr für mich zu kleinen Rückzugsorten geworden sind, mit ökonomisch rumpelnden, sirrenden und scheppernden Dingen liebevoll chaotisch zugestellten Klangräumen, in denen ich mich gern und oft aufhielt, manchmal verloren, manchmal aufmerksam umherwandernd, immer neue Entdeckungen machend, kleine, noch nicht begangene Nischen findend. Etwas sehr Vertrautes geht nun von diesen Alben aus, Heimatliches sozusagen.
Es kommt nicht häufig vor, daß ich mich zu Klangkosmen sofort und unmittelbar hingezogen fühle, aber die Hukkelbergsche Musik besitzt einen sehr liebevollen und verspielten Charme, dabei aber trotzdem immer genug Sammlung, um sich nie in den Details und Experimentierfreudigkeiten zu verlieren, sondern sie weiß diese immer sinnvoll in einem dem Song dienlichen Kontext zu organisieren. Cinematisch nennt es Hanne selbst und das trifft es. Jedes Element hat seine Funktion, gibt eine bewußt gewählte Klangfarbe, zeichnet ein präzises Bild. Bei aller Verträumtheit zeichnet diese Konzentration auf das Wesentliche die Musik Hannes aus. Der Begriff Bricolage kommt einem in den Sinn, es ist die Konzentration des Bastlers, der die Welt nach Gegenständen durchsucht, die sich sinnvoll zu neuen Collagen zusammenfügen lassen. Dieses durchaus handwerklich-handgreifliche Moment hat die Musik Hannes, etwas Geerdetes in der Verträumtheit. Nicht elfenhaft, dazu viel zu diesseitig in den Geschichten, die diese Collagen erzählen.
Ich bin in diesen Abend in der Fabrik mit viel Spannung hineingegangen, wie man zu einem ersten Date mit jemandem geht, den man nur von Briefen kennt, dem man sich aber doch schon stark innerlich verbunden fühlt. Das Bühnenbild verströmte dann schon Vertrautheit, das prominent aufgestellte umgedrehte Fahrrad, fast schon mythenbildendes Detail, kommt doch fast keine Rezension des Debuts Hannes ohne den Verweis auf ihre Klangsuche per Fahrrad aus. Ein abgegriffenes Spielzeugpiano steht neben einer Tuba, der Deckel einer Mülltone neben einem Glockenspiel, neben dem Schlagzeug ruht ein Laptop. „Ich übernehme keine Verantwortung für das Konzert“, raunt ein neben mir eintretender Gast seiner Begleitung zu.
Erste Geräusche vom Laptop erklingen, der Klang einer Untergrundbahn, dann Straßengeräusche und Hanne betritt mit den vier Mitmusikern die Bühne. Klein und zierlich wirkt sie, fast mädchenhaft in dem grünen Sommerkleid und den roten Strumpfhosen. Monoton, die Geräusche klangmalerisch aufnehmend setzt die Gitarre ein, schrummt dunkle Akkorde, eine Minute lang nur das, dann tritt Hanne ans Mikro und singt. „Berlin“ ist der Opener, der sich langsam aus der Monotonie herausbewegt und ganz zugeschnitten ist auf Hannes Stimme, mit ihr in Bewegung gerät und einen langsam in den Bann schlägt. Ein wunderbar atmosphärischer Anfang, zugleich düster wie als Kontrast zu Hannes eher sommerlich-freundlichem Aufzug. Sparsam und verhalten geistert ein Glockenspiel hinein. Das Schlagzeug malt ein paar Akzente dazwischen.
Man merkt den Musikern ihre große Konzentriertheit an. Kein Ton wird zuviel gespielt, alles ist sehr genau und der jeweiligen Stimmung des Stückes angemessen gesetzt und so kommt eine ungemein starke atmosphärische Spannung zustande. Auch in den Instrumentalpassagen des Abends, in dem rhythmisch brennenden Abschluß von „Ease“ etwa, der wesentlich intensiver und länger ausgreifend gespielt wird als auf dem Album, ist es der Gesamtklang, der im Zentrum steht. Live wirken die Stücke fast gestraffter und ökonomischer als auf den Alben, was aber kein Makel ist. Dadurch kommt eine fast traumwandlerische Atmosphäre auf. Auch die Gegenstände wie der Mülltonnendeckel in „Ticking Bomb“ oder das Fahrrad, dessen Speichen „Words and a piece of paper“ untermalen, werden nicht inszenatorisch betont eingebracht, sondern unaufgeregt beiläufig eingeflochten, ins Gesamtbild eingefügt.
Klar, es ist spürbar, daß das Hamburg-Konzert der Auftakt der Europatournee ist. Eine gewisse nervöse Anspannung ist zu Beginn in den kurzen Momenten, in denen Hanne mit dem Publikum interagieren muß, spürbar. „I guess I better stick to the music for a while“, sagt sie nach der Begrüßung fast entschuldigend, aber mit der Zeit und der spürbaren Begeisterung des Publikums wird sie lockerer. Als an einer Stelle rhythmisch passend ein Bierglas scheppernd das zeitliche segnet, grient sie über das ganze Gesicht, kurz im Gesang innehaltend. Und man kann nicht anders als mitzugrienen. Vertrautheit stellt sich ein.
Höhepunkt des Abends ist für mich die Coverversion des Pixies-Stückes „Break my body“, das Hanne mit Band zu Gänsehaut erzeugender Intensität zu führen weiß. Der Großteil der Stücke aus den beiden Alben werden gespielt und zudem noch eine kauzige Coverversion von „All day and all of the night“ von den Kinks, bevor nach etwa einer Stunde und zwanzig Minuten das Konzert vorbei ist. Ungemein intensiv und kurzweilig ist es gewesen und der Tisch mit den CDs wurde sofort von einem Großteil der leider nicht wirklich zahlreichen Gäste in Beschlag genommen. Ein wunderschöner und musikalisch sehr spannender Abend.