Re: Günter Grass Waffen-SS

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bullitt

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Sonic Juice
@bullitt: Als Beispiele für seine unerbittliche Kritik an der Vergangenheitsbewältigung anderer werden etwa genannt seine Vorwürfe und Rücktrittsforderungen gegen Kiesinger und insbesondere sein Angriff gegen Kohl und Reagan´s Soldatenfriedhofs-Besuch (dem wir immerhin den Ramones-Song „Bonzo Goes To Bitburg“ verdanken).
Seine Kritik an Kohl und Reagan machte Grass damals offenbar an dem Umstand fest, daß – unter 2000 weiteren Gefallenen – auch 49 Mitglieder der Waffen-SS waren, allesamt 17- und 18-jährige. Frank Schirrmachers Hinweis in der FAZ, hier handele es sich „womöglich (um) Angehörige seiner eigenen Division“, macht die Problematik dieser Kritik deutlich. Um ihn selbst, wäre er damals gefallen, hätte man dann ja auch nicht trauern dürfen, weil er als jugendlicher SS-Soldat nach seiner Auffassung nicht wert war, betrauert zu werden?

Hier kann man Auszüge aus Äußerungen von Grass lesen, daher habe ich die obigen Angaben. Kann aber nichts über die Seriösität und politische Tendenz der Quelle sagen (scheint auf den ersten Blick konservativ-republikanisch im amerikanischen Sinne zu sein).

Endlich mal ein konkretes Beispiel. Sehr spannend und in der Tat sehr zwiespältig. Aber hätten die heutigen Kritiker seinen Standpunkt akzeptiert, wenn sie über die Hintergründe informiert gewesen wären? Die offensichtliche und ungeheure Radikalität in Grass´ Sozialisation verpflichtet ihn ja fast schon dazu ein personifizierten moralischen Zeigefinger zu werden. Früher mit offenen Karten zu spielen wäre allerdings alleine vor der Tatsache sinnvoll gewesen, dass die Durchschlagskraft seiner Aussagen um einiges größer gewesen sein dürfte.

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