Re: HipHop & Rap

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dagobert

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plattentest.de zum neuen OutKast album „Idlewild“. VÖ: 18.08.2006

Gründe, die Bild-Zeitung nicht zu kaufen, Nummer 556: Die sensationsgeilen Schlüssellochgeschichten über Jennifer und Vince, Angelina und Brad oder Kate und Pete. Alles dreht sich um „Sind sie noch oder doch nicht mehr?“, „Wer kriegt was?“ und „Warum überhaupt?“. Und übersehen wird jedes Mal das eigentlich labilste Promipärchen around: André Benjamin und Antwan Patton. Gemeinsam sind sie OutKast, immernoch. Gemeinsam unternommen haben sie aber nicht mehr viel in letzter Zeit – zumindest wenn es um Musik gehen sollte. Schon „Speakerboxxx / The love below“ faßte zwei grundverschiedene Soloalben und HipHop-Verständnisse unter einem Namen zusammen. Und gerade weil sich Big Boi und Dré mit „Idlewild“ nun wieder auf einer Platte vereint zeigen, wird klar, wie weit sie sich tatsächlich auseinander gelebt haben.

Der Grund für die Reunion einer Band, die sich niemals offiziell getrennt hatte: Hollywood. Oder, um genau zu sein: das, was OutKast sich unter Hollywood vorstellen. „Idlewild“, der Film, ist ein Musical um den Clubbesitzer Rooster (Big Boi), der sich zusammen mit seinem Pianomann Percival (Dré) durchs prohibtitionskranke Amerika der 1930er schlägt. Gangsterbanden, Liebesspielchen, dieser Kram halt. Deutschland-VÖ? Noch ungewiß. „Idlewild“, das Album, ist der zugehörige Soundtrack und, so wird betont, zugleich eine vollwertige neue OutKast-Platte. HipHop, Soul, Funk, immer hübsch für Fortgeschrittene aufbereitet. Ist doch so? Ist doch so. Und trotzdem wollen wir diesmal nicht recht ins Hüpfen kommen.

Es ist der Offensichtlichste aller Kritikpunkte, den man so einem Unternehmen anhängen könnte, und es bricht uns allein schon deshalb das Herz, damit anfangen zu müssen. Aber: „Idlewild“ will sich eben nicht eine Sekunde lang nach der vollwertigen neuen OutKast-Platte anfühlen, die man versprochen hatte. Es ist ein weiteres Merchandise-Produkt zum, nichts Eigenständiges neben dem Film. Die Reimdehnübungen bleiben alarmierend unspektakulär, den Beats fällt nichts Ausgefallenes ein. Die Gäste rekrutieren sich größtenteils aus pflichtbewußten Wasserträgern von Big Bois eigenem Purple-Ribbon-Label. Und wenn unsere Helden dann zum ersten Mal seit sechs Jahren einen gemeinsamen Track schreiben, verläuft sich das gelenkige Hupen der „Mighty O“-Strophen schnell in einem ausnüchternden Mitjubel-Chorus. Hat eigentlich schon jemand die Musik-Razzies erfunden?

„Idlewild“ würde sich wohl gerade noch aus solchen Ehren herausgaunern können. In erster Linie bleibt es aber doch eine Platte, die zeigt, wie weit der Big-Pimpin‘-Rap von Boi und Drés Universal-Black-Music mittlerweile auseinanderklaffen. Der eine glänzt mit „Morris Brown“ und hochgetuneten Lowrider-Eskapaden. Der andere lebt sich im blau unterlaufenen „Idlewild blue“ mit Akustikgitarre und schief sitzender Mundharmonika aus. Ein grüner Zweig bleibt außer Reichweite, die zahlreichen Interludes und Filmdialoge reißen unnötige Löcher ins Album. Erst wenn das Ganze seinem Setting gerecht werden will und zwischen Schalldämpfertrompeten und Soulköniginnen im Swing badet, erinnert man sich wieder vage an die alten OutKast, denen nichts heilig war und noch weniger mißlingen konnte. Vielleicht müssen sich die beiden ja einfach nur gesund scheiden. Wir freuen uns jedenfalls vorsichtshalber schon mal auf die Rosenkriegsalben.

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