Re: Mikkos LP Faves

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mikko
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The Aggregation – Mind Odyssey (LHI, 1969)

Aufmerksam wurde ich auf diese LP durch das Leserforum des deutschen Rolling Stone. Ein Original der LP aufzutreiben, erwies sich als schier unmöglich. Aber es gibt ein (eher inoffizielles) Re-Issue auf Vinyl aus den 90ern und eine CD aus dem Jahr 2008. Die LP scheint eher ein Studio Projekt gewesen zu sein. Lee Hazlewood wurde 1968 auf die Band aufmerksam, weil die Musiker in Disneyland als Showband auftraten. Eine Single erschien zunächst auf LHI Records, deren Flipside eine recht eigene Version von Donovans „Sunshine Superman“ bot. Die Aufnahmen zur LP „Mind Odyssey“ entstanden dann nur wenig später, nachdem die Single „Maharishi“ vor allem in Boston einiges an Airplay bekommen hatte und Hazlewood Hoffnungen in einen Erfolg der Band setzte. Die Musik auf diesem Album stellt eine recht ungewöhnliche Mischung aus Sunshine Pop, Psychedelia, Prog Rock und ordinärem Tanzorchester dar. Die Band bestand aus studierten Musikern, echten Profis also. Die Texte zu ihrer Musik schrieb allerdings eine Freundin des Drummers der Band. Der Anfang der Platte erinnert an die Konzeptalben der Moody Blues seinerzeit. Einige Arrangements wiederum scheinen von Curt Böttcher inspiriert zu sein. Wie überhaupt allerlei geschickte Anleihen bei den erfolgreichen Pop und Rock Werken der späten Sixties konstatiert werden können. Allerdings wirken diese nie wie plumpe Plagiate. Eher wie eine zufällige Inspiration. Am abgedrehtesten ist der Track „The Long Windy Tunnel“, der schwer halluzinogen beginnt und sich dann zu einem instrumentalen Acid Pop Meisterwerk entwickelt, das selbst britische Popsike Künstler wie Nirvana oder Kaleidoscope im Vergleich nicht zu scheuen braucht. „Flying Free“ hätte als Single erfolgreich sein können. Das Arrangement hat besonders bei diesem Track etwas sehr Majestätisches. Auch im weiteren Verlauf der Platte wirkt der Sound recht barock und anspruchsvoll. Wie gesagt Curt Böttcher lässt grüßen. Wie eine Mischung aus The Strawberry Alarm Clock und Harpers Bizarre. Ziemlich aus dem Rahmen fällt allerdings „The City Of Toys And Games“, das auch vom Ray Conniff Orchester sein könnte. „Change“ zitiert dann jedoch The Doors auf das Allerschönste. Und schließlich kommt sogar ein gewisses Jazz Club Feeling auf. Zum Schluss wird es dann noch einmal psychedelisch und besinnlich zugleich. „Life’s Light“ hat etwas von einem Requiem. Alles in allem eine wie gesagt recht ungewöhnliche LP. ****

Leaf Hound – Growers Of Mushroom (Decca, 1971)

Auch diese LP ist im Original schwer zu finden und vor allem sehr teuer. Es gibt aber ein Vinyl Re-Issue auf Akarma und verschiedene CDs in unterschiedlicher Aufmachung, teils mit Bonus Tracks. Die Band kommt aus der englischen Blues Und Blues Rock Szene der späten Sixties. Der spätere Free Gitarrist Paul Kossoff gehörte für kurze Zeit zum Line-Up der Vorgängerband Black Cat Bones. Leaf Hound waren Ende der 60er viel live unterwegs in Europa, auch in Deutschland. Ihr Album entstand Ende 1970 zwar in London, wurde aber zunächst von Telefunken in Deutschland veröffentlicht unter dem Titel „Leaf Hound“. Diese Veröffentlichung unterschlägt allerdings zwei der aufgenommen Tracks aus unerfindlichen Gründen. Erst kurze Zeit später erschien die LP auch komplett in England auf Decca unter dem Titel „Growers Of Mushroom“. Eine Single war zuvor bereits auf Telefunken erschienen, deren B-Seite „It’s Gonna Get Better“ nicht auf der LP ist, auf den Re-Issues allerdings schon. Nach dem Weggang von Sänger Peter French zu Atomic Rooster (noch vor der Veröffentlichung der LP in England) löste sich die Band bereits auf. Das erklärt wohl auch, warum so wenige LPs verkauft wurden und die Platte – vor allem die britische Ausgabe – so selten ist. Stilistisch ist die Platte irgendwo zwischen Free und Led Zeppelin einzuordnen. Eine mäßig psychedelische Hard Rock LP mit zeittypischen Gitarrenriffs und Drum Breaks, relativ stark an Zeppelin orientiert. Der Gesang ähnelt mehr dem von Paul Rodgers. Ein wenig heiserer vielleicht. Keine schlechte Platte, sofern man diese Art von progressivem Blues Rock mag. Aber der legendäre Status der LP und ihr hoher Sammlerpreis erklären sich einzig aus ihrer Seltenheit, denke ich. Übrigens stammen sowohl der Bandname, als auch sämtliche Songtitel aus einer zeitgenössischen Horror Anthologie. „Drowned My Life In Fear“, die Single damals, erinnert sogar ein wenig an Black Sabbath. Der Titeltrack „Growers Of Mushroom“ hat einen gewissen Pop Appeal und wäre wohl die bessere Single gewesen. Insgesamt macht die LP den Eindruck eines B-Movies, wenn der Vergleich gestattet ist. Alles wirkt etwas derber, ungehobelter und auch schlichter als bei den damals erfolgreicheren Acts der Szene. Andererseits macht das aber auch einen gewissen Charme aus. ***1/2

Quill – Quill (Cotillion, 1970)

Noch eine ziemlich unbekannte und recht seltene LP aus der gleichen Ära. Es ist die einzige LP der Band Quill aus der Gegend von Boston. Die Band wurde bereits 1967 gegründet und war durch häufige Live Auftritte in den Neu England Staaten durchaus ein Begriff. Die Band spielte auf dem legendären Woodstock Festival, kam allerdings im Film nicht vor, weil das Filmmaterial von ihrem Auftritt unbrauchbar war. Sehr zum Leidwesen ihrer Plattenfirma, die sie erst kurz vor dem Festival unter Vertrag genommen hatte. Die LP entstand kurz nach Woodstock und wurde von der Band selbst produziert. Cotillion veröffentlichte die LP zwar Anfang 1970, machte aber so gut wie keine Promotion und hatte auch an einem zweiten Album kein Interesse, das die Band bereits im Kasten hatte. So blieb die LP in den Regalen stehen und Quill lösten sich schon im Frühjahr 1970 frustriert auf. Mit anderen Bands aus Boston haben Quill relativ wenig gemeinsam. Und einen so genannten Boston Sound hat es eh nie gegeben. Der war von Anfang an eine Erfindung von Marketing Strategen. Aber auch so ist die Musik dieser höchst originellen Band kaum zu kategorisieren. Klar, dass die Platte Ende der 60er entstanden ist, das hört man schon. Einige typische Soundspielereien und Effekte deuten ebenso daraufhin, wie auch das Songwriting zum Teil wenigstens. Doch insgesamt ist die Platte zu uneinheitlich, zu vielschichtig, um sie einer Stilrichtung zuzuordnen. Ja, es gibt hier und da psychedelische Klänge. Folk Rock ist die Basis des einen oder anderen Tracks. Dann aber gibt es so schräge und unerwartete Rhythmuswechsel, Breaks und vor allem auch in diesem Kontext ungewöhnliche Instrumente, dass man erstmal ratlos aufhorcht. Am einfachsten ist es, die Platte als Underground LP zu beschreiben. Das ist so treffend wie schwammig. Mit Jazz hat sie eigentlich genauso wenig zu tun wie mit Prog Rock. Und doch kommen einem Assoziationen zu beidem. Irgendwo las ich, die Band spiele eine zeitgenössische Art von Dreigroschenoper. Also Brecht / Weill. Auch dieser Gedanke ist nachvollziehbar, wenn man genauer hinhört. Aber noch mal von vorne. „Thumbnail Screwdriver“ ist im Prinzip ein schönes Stück Acid Rock mit Fuzzgitarre und fantasievollem Gegniedel. Auch „The Tube Exuding“ hat das richtige psychedelische Flair und ist hübsch ausgeflippt überdreht mit hypnotischem Basslauf, aufwärts zirkulierenden Gitarrenlicks und böser Doors Orgel. Die Texte sind allerdings auch ziemlich böse. Das fast zehnminütige „They Live The Life“ ist dann vielleicht zu anstrengend für den durchschnittlichen Acid Freak. Zu viele Stimmungs- und Tempowechsel. Aber ich muss sagen, man kann sich da einhören und schließlich Gefallen an diesem sarkastischen Nihilismus finden. Da fällt mir doch Cans Tago Mago ein. Eine Platte, die mir eigentlich viel zu nervig ist. Doch auch „Bby“ ist nicht gerade leichte Kost. Halb Soul Funk, halb Prog Rock mit jazzigen Anklängen. Jedenfalls können die Jungs spielen. Und das auf ganz vielen unterschiedlichen Instrumenten. „Yellow Butterfly“ ist vielleicht noch am ehesten das, was man an zeittypischer Psychedelia erwartet. Mit durch ein Leslie Kabinett verfremdetem Gesang, reichlich Wah Wah Gitarre und viel Flanging erinnert der Track fast an eine dunklere Version von Syd Barretts Pink Floyd. „Too Late“ fällt dann ziemlich aus dem Kontext. Ein schlechter Country Rock Track und ziemlich uninspiriert. Schließlich der letzte Track des Albums „Shrieking Finally“. Hier geben die Jungs noch mal alles was sie drauf haben. Das ist so abgedreht und genial zugleich. Eine Acid Rock Oper in siebeneinhalb Minuten. Jefferson Airplane haben Ähnliches veranstaltet manchmal. Eigentlich ist das doch eine großartige Platte. ****

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