Re: Morrissey – Ringleader of the Tormentors

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irrlicht
Nihil

Registriert seit: 08.07.2007

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MozzaSehr schöne Besprechung, Irrlicht! Inspiriert mich dazu, das Album bald wieder aufzulegen. Mit „the youngest was the most loved“ und „The father who must be killed“ hast du zwei der Tracks, die nicht zu meinen Favoriten auf dem Album zählen, mit der Höchstwertung versehen, deine „Begründung“ liest sich aber schlüssig.
Well done.

Vielen Dank fürs Lesen, Mozza.

Zu den beiden Tracks habe ich in meiner Besprechung tatsächlich kein Wort verloren, was ich bei ihrem Stellenwert jetzt gesondert nachhole.

„The youngest was the most loved“ ist als Song für mich in erster Linie ziemlich catchy. Das beginnt bereits mit den läutenden Sirenen, den anlaufenden Bassakkorden, dem leichten Fahrtwind, der in eine Hymne zieht, die vielleicht nicht ganz so auffächernd gestaltet ist, wie etwa „First of the gang to die“, aber eine ähnliche Vitalität und Dynamik entwickelt. Zudem auch wunderbar gesungen; ich bin, zumindest in vielen Fällen, mehr ein Freund der straighten Songs Morrisseys, wo wir dann bei den Schwachpunkten des Albums angekommen wären: Neben dem Verbannten, dem Zyniker, dem Prediger, dem Weltverbesserer, dem Selbstlosen, dem Romantiker und dem ewig Herzlosen, gibt es tatsächlich auch eine Seite, die mir zu klischeehaft und seicht ist. Morrissey ist für ein paar der beeindruckendsten, ergreifendsten Texte verantwortlich, die die Pop- (und Artverwandte) Musik zu bieten hat und so ein wenig fragt man sich vielleicht doch, wo die Raffinesse, Gewandtheit, aber auch Zärtlichkeit mancher Tage entschwunden ist – für mein Dafürhalten bleibt der Mann hier vielfach unter seinen Möglichkeiten, bemüht Phrasen, einen Track wie „I’ll never be anybody’s hero now“ hat es bedeutend schöner schon mit meinetwegen „Please, please let me get what I want“ unlängst gegeben. Etwas störend finde ich auch Morrisseys Ausflüge in höhere Stimmregister – nicht, weil es nicht passen könnte/würde, sondern weil es, bei aller abgenommen Innbrunst, meist einfach übel klingt. Aber das nur bis dahin.

„The father who must be killed“ ist für mich ein magischer, eigentlich perfekter Track. Hier ist es zunächst der Text, der mich fasziniert (ein verstörendes Stück Prosa); Morrissey schlüpft in die Rolle des Stiefsohns, der die schweren Kiefer des Vaters beobachtet, wie sie das Essen zermahlen und herunterwürgen; es ist ein hierarchisches Haus in einer tristen, leblosen Welt und es scheint gerade dieses natürlich „Recht des Stärken“ der Familenstruktur zu sein, das hier in einem griffigen Messerstech sein Ende findet. Keine wärmende Hand, keine Reden von Glaube und Vernunft machen diesen Tod umgänglich. Es ist allerdings ein schöner, gewollter Tritt, dass der Track dabei zeitweise so erschreckend gleichgültig klingt. Da kullern Gitarren aufgebracht durchs Zimmer, Kinderchöre sprudeln kreischend herein, sogar ein Solo schnappt heraus, in dem Moment, als sich der Vater sterbend zur Seite dreht, zur Mutter wendend. Der Track hat eine fast tödliche Feierlichkeit. Love it.

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Hold on Magnolia to that great highway moon