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Wahr ist, Dylan meint es gut mit uns. 10 Songs verteilt auf 63 Minuten Spielzeiten. Entweder hat uns der Meister viel mitzuteilen oder es werden doch mehr Soli gespielt, als es oft beschrieben wurde. Nach dem ich jetzt seit Freitag „Modern Times“ so oft wie Wolfgang Doebeling seinerzeit DRIFT gehört habe, würde ich mal folgendes Zwischenfazit ziehen. „MT“ ist eine äußerst charmante Platte geworden, die Texte schwanken zwischen düster-ernst und humoristisch, im Grunde bleibt Dylan immer im sicheren Gewässer. „Levee“ als Beispiel könnte wirklich ein Song über Hochwasser sein, aber indem Dylan noch eine Liebesgeschichte eingestrickt hat, könnten das auch alles nur Metaphern sein. (Seit TOOM schreibt Dylan bekanntlich Texte die man versteht, wo man aber nicht weiß, was er genau meint…)
Anyway, von der lieblosen Band lass ich mich hier nicht blenden, gerade die bluesigen Songs haben einen klasse Beat, drängen sich indes nie in den Vordergrund. Die eingestreuten Soli in „Thunder“ gefallen sehr und wenn „Rollin & Tumblin“ von keiner Spielfreude zeugt, dann weiß ich es nicht (hier könnte man eher auf den Gesang verweisen der ansonsten vorzüglich ist).
„Spirit“ ist eine tolle Liebesballade, wenngleich etwas zu lang geraten, dass macht die tolle Harmonica am Ende wieder wett. (kein Mensch würde hier auf Dylan wetten, wenn die Harmonica bläst, das ist weit weg von dem alten Gedöns). „When The Deal Goes Down“ hat eine tolle Melodie, die Umsetzung mit Steel Guitar und den sehnsüchtigen Lyrics streifen aber dicht am Kitsch vorbei. „Someday Baby“ ist mir zu monoton geraten, die Soli sind wiedermals sehr gelungen und Dylan legt eine mehr als überzeugende Gesangsdarbietung ab. „Workingman’s Blues #2“ ist ein absolutes Highlight, die Mischung aus KLavier und Cello harmonieren sehr schön mit der Stimme, das Stück kann sich problemlos mit allen Songs von „Time Out Of Mind“ messen. „Beyond The Horizon“ ist eine lockere Altersheim-swing-nummer mit sehr speziellem Charme, Dylan scheint sich allerdings wohl zu fühlen. „Nettie Moore“ hat wahrscheinlich den schönsten Chorus auf dem Album, die ständig repetierende Bass Drum ist gewöhnungsbedürftig und stört nicht weiter. Das Highlight bildet aber klar „Ain’t Talkin“, welches sich problemlos mit Klassikern wie Desolation Row, Sad Eyed Lady oder Highlands messen lassen kann. Wie in den aufgezählten Songs wirkt „Ain’t Talkin“ wie ein Sog, die Lyrics sind kryptisch wie eh und je und lassen jede Menge Interpretationsspielraum offen.
Modern Times vermischt die Liebe zur Nostalgie mit der Unsicherheit der Zukunft, scheinbar persönliches mit politischem, privates mit öffentlichem Gedankengut. Was und ob er uns damit etwas sagen will, soll jeder für sich entscheiden. An die Klasse und Intimität von „TOOM“ kommt „MT“ nicht heran, mit „Love And Theft“ kann es sich schon messen. (Die Bluessongs auf L&T wie Honest With Me oder insbesonder Cry A While sind stärker wie die auf „MT“, die Balladen suchen allerdings auf „L&T“ ihresgleichen…). Momentan läuft es wohl auf * * * * 1/2 hinaus, allerding mit Spielraum nach oben und nach unten – time will tell…
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and now we rise and we are everywhere