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Wolfgang Doebeling in tip 18/06:
Bob Dylan
Modern TimesBlues und Zorn, Humor und Swing-Handwerk vom Meister
Der Albumtitel hätte auch „The New Dark Ages“ lauten können. In den Linernotes seiner LP „World Gone Wrong“, ganz Vergegenwärtigung der Vorzeit, setzte Bob Dylan schon 1993 beides synonym. Der Groll des Dichters richtet sich gegen moralische wie soziale Erosion, er geißelt „wealth and power“, beklagt Armut: „The buying power of the proletariat’s gone down.“ Kein kommunistisches Manifest, aber so knirschend konkret wie seit den 60ern nicht mehr.
In „Workingman’s Blues #2“, das der gleichnamigen Honky-Tonk-Tirade Merle Haggards nachempfunden ist, geht es um Depravation durch Arbeitslosigkeit. „Apologies To Merle“, so Bob parenthetisch, doch dürfte der Inspirator sich eher geschmeichelt fühlen. Der herausragendste Song hier, neben dem fast neunminütigen Schluss-Epos „Ain’t Talkin'“, der Dylans Sicht der Dinge mäandernd ausbreitet, sprachgewaltig, gallig, giftig. Ohne poetische Verrätselung, ohne allegorische Fluchten ins Endzeitliche, freilich aber auch ohne Namen preiszugeben. Dazu dräuen Streicher, seltsam-suggestiv, während Bobs Stimme wie auf dem ganzen Album schockierend nah ist, schmirgelnd präsent. „You think I’m past my prime“, spöttelt er, „let me see what you got.“
Nicht viel, entgegnet der ertappte Kritiker. Die arg bemühte Zeile mit dem „invisible prayer“ hätte es nicht gebraucht. Und, was ungleich schwerer wiegt: Ihre wackere Touring-Band, Sir, die live schon kaum mehr ist als kompetent, stößt auf den meisten Tracks hier an ihre Grenzen. Kein Feuer, keine Finessen, der Blues nicht tief, der Swing nur passabel, die Shuffles zuckelnd. Handwerk bloß. It’s the singer and the songs.(Wolfgang Doebeling in tip 18/06)
Habe mir erlaubt, zwei Schreibfehler zu berichtigen.
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Hey man, why don't we make a tune... just playin' the melody, not play the solos...