Re: Beirut – Gulag Orkestar

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go1
Gang of One

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Hier die wenig begeisterte Besprechung aus der KONKRET:

Berthold Seliger(…) Hätte ein junger US-amerikanischer Musiker in vor-post-postmodernen Zeiten eine Band gegründet, dann wäre da eine Heavy-Metal- oder, ein Jahrzehnt später, eine Grunge-Coverband draus geworden, die sich über den Umweg des Punk vielleicht musikalisch weiterentwickelt hätte. Heutzutage aber geht der junge Amerikaner, der auf einem Europatrip einige Balkanbands gesehen hat, nach New Mexico zurück – und nimmt osteuropäische Folklore auf. Etwas Balkan, etwas Klezmer, etwas Pennälerlyrik, die Ukulele klampft dabei konsequent auf der Eins, denn die 7/8 oder 9/8 des Balkan sind den jungen Amerikanern zu schwer.

Beirut könnten sich mit dieser Amateurmucke als veritable Straßenmusiker oder skurrile Highschoolpartyband durchschlagen. In den (wenigen) besseren Momenten, in denen Condon pures amerikanisches Songwriting bietet, ist das musikalisch sogar ganz hübsch. Doch den Schuß Ästhetik, der ihnen die Indie-Musikpresse und das Publikum zu Füßen liegen lässt, liefert der Albumtitel: „Gulag Orkestar“. (…)

Condon tut so, als ob er stellvertretend für alle Amerikaner eine Reise in den exotischen Osten machen würde, und offeriert einen Schnelldurchlauf durch all die Orte mit ihren für amerikanische Ohren so herrlich schräg klingenden Namen. Das Gulag-Party-Orkestar spielt wurscht ob im „Bunker“, in „Bratislava“ oder in „Brandenburg“ (wie die Songs heißen) – Hauptsache: „After the Curtain“. Musik, die den Checkpoint Charly hinter sich gelassen hat, ihn aber dennoch mit sich herumträgt.

Und da haben wir es wieder, das „Anything goes“: Multiplikatoren, die vor jedem echten Balkanalbum Reißaus nehmen würden, ein Publikum, das sich östliche Klänge nicht ohne westeuropäisch popgerechte Zubereitung anhören kann, sie alle bejubeln plötzlich ein mittelmäßiges Album eines jungen Amerikaners, das behauptet, irgendwie Balkan, irgendwie Ost, eben: irgendwie Beirut zu sein. Sowas nennt man wohl Pop.

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To Hell with Poverty