Re: Scott Walker

#513279  | PERMALINK

irrlicht
Nihil

Registriert seit: 08.07.2007

Beiträge: 31,444

kramerTheatralisch? Du verdienst es gar nicht, Scott Walker hören zu dürfen.

Wobei ich die Wahrnehmung schon nachvollziehen kann.

So sehr ich Scott Walker schätze, ist das Frühwerk für mich bis heute ein Bild mit zwei Seiten geblieben. Es gibt kaum Musiker, die derart intensiv und perfektionistisch zu Werke gehen, ich kann daher verstehen, was Dich dazu treibt, „von Genialität geprägt“ zu berichten.

Aber ein Teil bleibt mir dennoch verwehrt: Scott Walker ist für mich selten wirklich spürbar. Das mag einerseits daran liegen, dass nicht wenige Titel dieser Zeit aus der Feder von Brel stammen (und ich finde das widerum spürt man sofort, selbst wenn man nur einmal „Amsterdam“ oder „Au suivant“ lauscht. Obwohl ich wenig von Brel kenne, steht er mir letztlich deutlich näher), zum anderen nehme ich Walker aber auch sonst selten wirklich wahr. Für mich ist die Tetralogie ein Musterbeispiel für Grandiosiät im Umgang mit Arrangements und Klangfarben, für eine große Gabe Songs beispiellos zu interpretieren, auch für eigenes kongeniales Songwriting – aber selten für eine Persönlichkeit aus der Kunst heraus. Irgendetwas an der Interpretation reibt sich für mich und wirft immer wieder Fragen auf, vielleicht einfach, weil Walker einerseits textlich sehr intensiv ist (in vielen Fällen zumindest), aber mir die Arrangements dabei letztlich zu sauber, zu perfektionistisch, zu distanziert betrachtet, im Grunde zu leblos bleiben. Ich habe eben nochmal „Ne me quitte pas“ gehört und danach kommt einfach nichts mehr. Das ist Herzblut in Reinform.

Anders gesagt: Für mich steckt im Späten, in einem simplen „I opened the window/Then I opened my hand“, das nur von mahnenden Trommeln begleitet wird, mehr von Walkers Persönlichkeit, als in den ersten vier Großwerken zusammengenommen. Warum auch immer.

--

Hold on Magnolia to that great highway moon