Re: Funktionen von Musik

#5114569  | PERMALINK

Anonym
Inaktiv

Registriert seit: 01.01.1970

Beiträge: 0

Dieu, welche Verwirrung. Canzione würde einen guten Robespierre abgeben. Ist das hier ein Peitschenversand oder ein Forum für’s Einander-austauschen? Von der definitorischen Minimalanstrengung, Musik sei Bereicherung der Welt (also eine Kapitalistin der Psyche?) über die anhaltende Rede davon, Musik habe keine Worte bis hin zum alten Trick, sie sei universell, ist das alles nun einmal kein „Nachweis“. Dazu ist ein Forum wohl auch der falsche Ort, da wären höfliche Annäherungen freundlicher.

Es fällt wirklich schwer, in diesem aufgetürmten Heuhaufen eine Nadel zu finden, die weiter strickte. Was soll denn etwa eine Abbildung der Empfindung sein? Was soll „der“ Zorn sein, der da schlicht als eindeutig vorausgesetzt wird, um zu sagen, die Musik könne ihn nicht „treu“ ausdrücken? Das sind doch eher tastende Schritte. „Der Zorn“ ist genauso bedeutungslos wie eine isolierte Terz, wenn schon auf der Ebene gesprochen werden soll. Und so fleißig die Diskussion gerade im Frankreich des 18. Jahrhunderts um die „Ursprünglichkeit“ der Wörter auch war – denen fehlte einiges an Musik (um den Brückensprung einmal aufzunehmen), um so geradewegs als Beweis herhalten zu können.

Musik ist nicht universell, schon mein Nachbar versteht nicht die Musik, die ich höre – was ist daran universell? Das Prinzipielle? Einverstanden, aber dann bitte nicht in dogmatischen Gewändern kommen, da muss man dann ein wenig weiter zurück in der Philosophie des Subjekts und auch da noch verläuft man sich allzu leicht und kommt zu keinem Ende.

Übrigens gibt es unzählige Einlassungen von Wörterleuten dazu, dass sie, die Wörter, nicht beliebig vertauschbar seien, um eine „Idee auszudrücken“. (Sartres Begriff der engagierten Literatur z. B. basiert auf der Unterscheidung von einer selbstreferenziellen Poesie, in der nicht nur die Wörter, sondern bereits die Buchstaben an ihrem Platz stehen müssen, um Poesie zu sein.) Anekdoten dazu gibt es natürlich auch.

Manns Auskunft, Musik oder Kunst sei dazu da, gespielt zu werden, wird von einigen Fachleuten auch leicht in die Tasche gestopft: Schumann und Kolisch z. B. wollten die Musik gar nicht gespielt wissen, sie einfach zu lesen, wäre ihnen lieber gewesen. Aber was heißt schon Musik? Da dürfte es nicht nur die Genre-Unterschiede geben, sondern in den Genres selber noch mindestens ebenso viele – dieses Forum ist doch voll von Belegen dafür, dass es „die“ Musik nicht gibt: Wie war das bei diesem Besucher von einer Pazifik-Insel in einem klassischen Konzert in Europa? (Hab’s irgendwann irgendwo mal gelesen, ich glaube in dem Büchelchen über den „Papalagi“.) Wenn ich mich richtig erinnere, fand er das Stimmen der Instrumente am schönsten, das anschließende Beethoven- oder was weiß ich Konzert weniger nett.

Sehe gerade, dass zum Soziologischen und Historischen in der Sache ja längst hinreichend geschrieben wurde – dann schließe ich mal.

--