Re: Funktionen von Musik

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nail75

Registriert seit: 16.10.2006

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CanzioneDie Beredsamkeit, die Poesie, das Theater haben eine unmittelbare und notwendige Beziehung zu den Sitten, zum Charakter, den Bräuchen und dem politischen Regime jeder Nation.

Nation ist der falsche Begriff. Kunst benötigt keine Nation. Ich denke, das ist einsichtig. Die meisten Künste sind viel älter als Nationen. Kunst benötigt ein Publikum oder Adressaten, irgendeine Form von Gesellschaft, aber ganz sicher keine Nation.

Weil diese Künste „Kinder des Geistes sind und die Rede in Bewegung setzen“, stehen sie in enger Abhängigkeit von den historischen und lokalen Umständen. Die Musik, die weder Menschen noch Dinge schildert, ist in keiner ähnlichen Abhängigkeit: man hört dieselbe Musik in New York, in London, in Madrid.

Nein. Man hört in Nairobi, Kairo, Ankara, Moskau, Tokio, New York, Berlin und Shanghai nicht dieselbe Musik. Wie kommst Du auf diesen Gedanken?

Es gilt: Die musikalische Sprache verfügt über eine spezifische Struktur, die sie, unter einem bestimmten Aspekt, an die artikulierte Sprache annähert (wie die Phoneme haben die Töne keine wesenseigene Bedeutung) und unter einem anderen Aspekt davon entfernt (die musikalische Sprache hat keine dem Wort entsprechende Artikulationsebene). Bis hierhin behält mein Nachweis seine ganze Schärfe.

Was für ein Nachweis?

Du schreibst doch oben selbst, dass sich Musik von Sprache unterscheidet. Wieso also der zwanghafte Versuch, sie als Sprache zu definieren? Schreibe doch einfach „Ausdrucksform“, da hast Du dieses Definitionsproblem vermieden.

Es gilt: Musik ist keine Sprache.

CanzioneWie also dann dieinneren Widersprüche erklären? Dass beispielsweise die Künste und das nationale Temperament miteinander in Widerstreit liegen. Ich fürchte, dass auch die aufgeklärteste Philosophie Mühe hätte, solche Mysterien zu erhellen.

Die Widersprüche existieren nur, weil Du Musik als Sprache fehlinterpretierst und ihr Universalität zusprichst, die sie nicht besitzt. Deine Probleme existieren für mich überhaupt nicht (obwohl es spannend ist, darüber nachzudenken).

CanzioneDa das nun einmal so ist, kann man einerseits schließen, dass der einer Nation vertrauteste Gesang kein sicheres Indiz für ihren Charakter und ihr Genie ist; und andererseits, dass zwischen den Künsten der Rede, deren oberster Richter der Geist, und der Kunst der Töne, für die das Tribunal der Ohren zuständig ist, ein so großer Unterschied besteht, dass ein dummes Volk ein Volk von guten Musikern sein kann und ein Volk mit tiefen Gedanken nur eine seichte Musik haben kann.

Yeah, dude whatever…

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Ohne Musik ist alles Leben ein Irrtum.