Re: Flaming Lips – Hamburg / Köln

#5107423  | PERMALINK

observer

Registriert seit: 27.03.2003

Beiträge: 6,709

Die Flaming Lips wollen nichts Geringeres als die Welt zu verbessern. Zumindest für die 90 Minuten ihres Auftritts. Und es wird wohl immer ihr Geheimnis bleiben, wie sie es innerhalb von wenigen Sekunden schaffen, dass sich „Erwachsene“ so ausgelassen wie auf einem Kindergeburtstag benehmen. Die Menge an Luftballons, das Konfetti und die Eröffnung mit einem ihrer besten Songs „Race for the prize“ können es nicht allein sein. Es muß da noch ein anderes Geheimnis geben, das in den ersten Momenten des Konzerts bewirkt, sich aller Hemmungen zu entledigen und den Moment, nein: das Leben zu feiern.

Auf der Bühne stehen nur wenige Instrumente, alle in grellem Feuerwehr-Rot lackiert, die zudem von der Band unter dem ersten Jubel noch selbst aufgebaut werden. Nach professionellem Equipment sieht das nicht aus, auch die zahlreich eingesetzten Gimmicks wirken wie in Wayne Coynes Bastelkeller erschaffen. Nur dass sich dieser Hobbyraum wahrscheinlich in der Space-Kugel befindet, die in seinem Garten steht. Die Flaming Lips gehören nicht zu den Gruppen, die sich nur auf die Bühne stellen und ein beeindruckendes Konzert geben. Sie wollen ein Gemeinschaftserlebnis schaffen, einem LSD-Rausch vergleichbar alle Sinne mit Eindrücken zuballern und ein noch lange nachhaltendes Glücksgefühl erzeugen. Und wer sich da nicht hineinfallen lassen kann, wird sicherlich Gründe finden, am Auftritt rumzumäkeln: der Sound war nicht besonders gut, Wayne Coyne ist kein guter Live-Sänger und unerträglich heiß und stickig war es zudem auch noch. Aber was zählt das, wenn man trotzdem das Gefühl hat, dem Sammelsurium der glücklichsten Momente des Lebens ein paar weitere hinzufügen zu können.

Bis auf „She don`t use jelly“ und das Black Sabbath-Cover „War Pigs“ spielten sie nur Material der letzten drei Alben. Wobei auch die aktuellen Stücke, insbesondere der „Yeah Yeah Yeah-Song“ äußerst euphorisch aufgenommen wurden. Es ist immer wieder erstaunlich, wie sie ihre sehr komplexen Studioproduktionen live so auf das Wesentliche reduzieren, dass es trotzdem funktioniert. Herausragend fand ich, wie auch schon bei der letzten Tour, den Drummer, der unglaublich energiegeladen und spannungsvoll spielen kann (Waiting for Superman!) und natürlich den Multiinstrumentalisten Steven Drozd, der zudem die ganzen Chorpassagen der Songs übernahm. Im Mittelpunkt stand aber natürlich Wayne Coyne, der als hervorragender Entertainer das Publikum animiert, jeden Quark mitzumachen und wahrscheinlich hätte auch nicht viel gefehlt und die Leute wären seiner Aufforderung gefolgt, sich bei der Hitze auszuziehen. So blieb es dabei, das man rumsprang, mitsang, mit Luftballons um sich warf und den Konfetti-Regen genoss. Auf der Leinwand liefen neben kurzen Filmsequenzen zumeist psychedelische Animationen und auf der Bühne tanzten links etwas mehr als ein halbes Dutzend Aliens, während sich rechts die Weihnachtsmänner verlustierten. Ob und was sie damit meinen, kann sich jeder selbst überlegen. Ich weiß es nicht. Auch die Atmosphäre in der Markthalle entzieht sich jeder näheren Beschreibung. Oder es klänge für Außenstehende lächerlich und nicht nachvollziehbar. Schräg vor mir stand ein Typ, dessen linker Unterarm fehlte und da man sich ja manchmal fiktive Lebensgeschichten im Kopf zusammenreimt, fand ich es äußerst rührend, wie er das gesamte Konzert über seine beiden Arme in den Konfettihimmel hob und feierte. Solch berauschende Momente wie bei „Do you realize“ werden sich auf ewig im Kopf einbrennen. Der Abend war pure Euphorie und noch eine Viertelstunde nach Konzertende standen die letzten 100 bis 200 Leute vor der Bühne und applaudierten.

Leider kamen wir noch nicht in den Genuß der bereits auf einem T-Shirt angekündigten neuen Laser-Show, bei der das Publikum auch die aktive Hauptrolle übernehmen soll. Wie das aussieht, hätte ich zu gern gesehen, es sind wohl aber noch nicht alle Sicherheitsfragen gekärt. So schrieb zumindest der Drummer am gleichen Tag in seinem Tour-Blog. Egal, vielleicht wird man es ja schon in Köln oder München erleben dürfen, wo sie im Juni auftreten. Unnötig zu erwähnen, dass jeder der da nicht hingeht, selber schuld ist.

--

Wake up! It`s t-shirt weather.