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Die Technik und Harmonik änderte sich hingegen bis ins späte 19.Jhd wenig (ausgehend von J.S.Bach und seinem wohltemperierten Klavier): Die Stimmführungsregeln aus dem vierstimmigen Satz waren verpflichtend, der Generalbass ebenso – und auch die Formen waren recht starr und vorgegeben. (Sonatenhauptsatzform, Rondo, Fuge etc.)
otis… das ist ziemlicher Unfug, den Bluebean da schreibt.
Weder war Mozart jemand, der „versessen drauf war, etwas Neues… zu erfinden“, noch stimmt es, was dort steht bzgl. Stimmführungsregeln, Formen, Harmonik.
Ich war gar nicht drauf eingegangen, weil es allzu xxx war.
Ich jedenfalls sehe in der populären Musik des 20 Jhd. mehr Abwechslung und größere Freiheiten in den erwähnten Aspekten als in der sg. ernsten Musik. Ich muss dich auf Vorlesungen und Seminare aus Musikgeschichte und Tonsatz verweisen, mach ein paar Analysen klassischer Werke und du wirst sehen, dass sehr viel nach den gleichen Schemata abläuft.
Im übrigen bitte ich dich, eine akademische Abhandlung über diese Thematik in vier Zeilen zu verpacken, wenn es dir gelingt ziehe ich meinen Satz als Unfug zurück.
Zu Mozart: Ich denke, Mozart war sich selbst sehr wohl bewußt, dass er nicht nur Musik vergleichbar mit den vielen ihn beeinflußenden Vorbildern schuf, sondern daraus einen eigenständigen Stil entwickelt hatte. Oder auch: Er war sich seines Genies bewußt. Wahrscheinlich hätte ich besser schreiben sollen: Er ging keine Kompromisse ein, wenn es galt, seine Vorstellungen umzusetzen – was aber, wenn man die Neuartigkeit seiner Ideen in Betracht zieht, aufs selbe hinauskommt wie eine Versessenheit auf Neues.
Das mag sehr wohl so sein. Jedoch ging die Argumentation von Bluebean weiter, indem er gar behauptete, ich müsse mich einer Banausenprüfung unterziehen. Dass man auf der Basis einer solchen Liste und als Led Zeppelin-Fan zu solch einer Forderung kommen kann, ist dann doch heikel. Nennen wir es mal so.
Kann mich nicht erinnern, Led Zeppelin im Zuge meines Banausentests erwähnt zu haben? Tatsächlich war von einem Beatles Song und einem Schubert Lied die Rede. Es ist immer sehr heikel, einzelne Werke herauszugreifen, auf die Gefahr hin, dass jemand diese als Nonplusultra des Zitierenden versteht. Trotzdem finde ich es farbiger und verständlicher, so zu argumentieren, als nur allgemein herumzulabern. Im Endeffekt reicht es ja auch, mit „aber dieses Lied ist viel besser!“ zu argumentieren ist unnötig, die von mir gebrachten Beispiele reichen vollkommen um jemanden, der hier keinen Tribut zollt, als Banausen einzuordnen, im ganz herkömmlichen Sinn des Wortes.
Wertigkeit […] ist das Bemühen darum, die künstlerische Bedeutung von Musik zu ermitteln anhand von ästhetischen Wertesystemen, die sehr wohl individuell geprägt sein können, aber darüber hinaus den Anspruch haben sollten, nachvollziehbar, kommunizierbar und in sich stimmig zu sein.
Ich bemühe mich bei meinen Faves Wertungskriterien erkennbar und nachvollziehbar zu machen. Es ist für mich ein wichtige Intention, alles andere wäre nur Geschwätz (das darf und mag es sicher auch mal sein). Aber als Leser wird man feststellen, wie wenig das Wertesystem der einen Single auf die andere übertragbar ist, wie jede gute ein kleines autarkes Kunstwerk in sich ist, ein bedingendes Merkmal seiner Einzigartigkeit. Dieser Einzigartigkeit nachzuspüren ist doch das Spannende, und mit einer Liste ist ihr kaum beizukommen, auch nicht mit einem starren Wertesystem.
Eine Musik schlecht zu schreiben ist m.E. übrigens schwieriger, als sie zu loben!
Um wieder mal farbig zu argumentieren: Wenn man von jedem Ah Um-Kriterium genau den Durchschnitt herausnimmt und daraus ein Lied machen würde käme Starships „We built this City“ heraus – das häßlichste Lied der Welt. Schiebt man die Parameter da und dort in eine andere Richtung entstehen dementsprechend und in meinem „individuellen, ästhetischem Wertesystem“ Lieder, Songs, Werke die dort als mehr wert eingeordnet werden.
In dieser Hinsicht hat mir Ah Ums Liste gefallen, es ist ein nettes Spielzeug, eine gute Argumentationshilfe und ein Anhaltspunkt für die von dir gewünschte Kommunizier- und Nachvollziehbarkeit.
Ansonsten bleibt dir nicht viel anderes übrig, als zu versuchen, dem bedingenden Merkmal der autarken Einzigartigkeit deiner Singles mit nur Geschwätz nachzuspüren. Was es auch meiner Meinung nach mal sein mag – und ohne dass ich dem Schwätzer mit Immunisierungsstrategien wie „Das ist Unfug“ übers Maul fahre.
grüße
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