Re: Alles Geschmacksache?

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ah-um

Registriert seit: 24.02.2006

Beiträge: 1,398

Das Musikstück an sich ist völlig unabhängig vom Hörer da.

Das ist eine erkenntnistheoretisch sehr gewagte Aussage! Niemand kann sicher sagen, ob Gegenstände ohne einen Betrachter (bzw Hörer) überhaupt existieren. D.h.: strikte Objektivität ist dem Menschen gar nicht möglich. Aber das würde jetzt wohl gar zu philosophisch.

Noch mal der Vergleich mit dem Essen. Angenommen, ich mag keinen Rosenkohl. Dennoch könnte ein Koch wunderbare Rosenkohl-Gerichte zaubern. Kreativ, innovativ, hausmannsmäßig oder was auch immer.
Aber sie schmecken mir nicht. Das ist völlig ok, und kein Mensch wird in der Lage sein, sie mir schmackhaft zu machen. Dabei muss ich mir nicht einmal die Mühe machen, sie x-mal zu probieren.
Dennoch können sie zum einen für andere toll sein, und zum anderen kann vor allem der Koch ein guter sein, was ich aber nicht beurteilen kann, weil ich keinen Rosenkohl esse, nur Rosenkohlesser könnten das, und erfahrene Rosenkohlesser noch mehr.

Das Rosenkohl-Beispiel spielt, wenn ich das recht verstehe, auf Genre-Unterschiede an. Ich denke, wir sind uns weitgehend einig, dass Musik an den jeweils genre-immanenten Maßstäben gemessen werden muss (wie gesagt: Beethoven war ein ganz schlechter Jazz-Musiker).
Und über ein Genre, das deutlich außerhalb meines Erfahrungshorizontes liegt (zB indische Raga-Musik), sollte ich mir besser kein Urteil erlauben. Nur in diesem Zusammenhang würde ich die Redeweise vom „fehlenden Zugang“ gelten lassen. Wenn aber jemand, der sich für Popmusik interessiert und sich gut auskennt (so wie wohl alle hier), zB „Pet Sounds“ nicht mag, dann liegt das im Zweifel nicht daran, dass die Beach Boys der Rosenkohl wären, sondern dann hat er eben ein von der Mehrheitsmeinung abweichendes und völlig akzeptables Urteil gefällt.

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There is a crack in everything; that's how the light gets in. (Leonard Cohen)