Re: Oasis

#483543  | PERMALINK

ambulance

Registriert seit: 10.04.2005

Beiträge: 38

TheCopywriterDon’t Believe The Truth ist kein Hymnen-Album, es ist eher ein Singer-/Songwriter-Album.

Don’t believe the truth WÄRE vor allem gerne ein Singer-/Songwriter-Album.

Oasis sind schon ein seltsames Gebilde, irgendwie Retro, sehr 90er-Jahre halt, und seit mindestens zwei Alben beim Spätwerk angelangt. Man wird sich damit abfinden müssen: Ein neues „Wonderwall“ wird es nicht geben, genausowenig, wie, sagenwirmal, REM ein neues „Man on the Moon“ schreiben können.

Oasis sind musikhistorisch gesehen interessant, aber aufregend seit, ähm, Herbst 1995 nicht mehr. Die Gründe dafür liegen auf der Hand: Diese Band ist einfach zu groß und zu satt und vor allem zu faul, um noch wirklich relevant zu sein. Oasis sind ein Markenzeichen, und als solches produzieren sie halt alle drei Jahre eine Platte bespielt mit Oasis-Sound. Dazu gibts dann drei bis vier Singles. Die erste davon – grundsätzlich eine Rocknummer – hat etwa einen Monat vor dem Album zu erscheinen. Keine Single dazwischen, nie eine EP. Nicht zu vergessen: Noel, auf den Titelblättern der Musik-Journaille – Eine Band, die „endliche erwachsen“ geworden ist. Gähn.
Und so geht das seit Jahren. Aufregend ist was anderes. Bryan Adams macht das wahrscheinlich genauso.

Eine weitere Regelmäßigkeit ist das offenbare Unvermögen der Band, Ihre Platten vor einem verfrühten Leak im Internet zu schützen. Die „echten“ Fans haben es ein Monat vor dem Release, die anderen „echten“ Fans warten lieber. Einig sind sich aber beide Lager: Ganz sicher das Beste Album seit…. etc.

But never mind the Gequatsche, here’s the Fakten:

Don’t believe the truth dauert 43 Minuten und 10 Sekunden. Man kann es an einem Tag also 34mal hintereinander hören, das haben all die „echten“ Fans da draussen sicher bereits selbst herausgefunden.

Mit „Turn up the sun“ beginnt die NEUE OASIS. Es handelt sich dabei um eine Art verschlanktes „Dyer know what I mean“, am Anfang eher zurückhaltend, später dann lauter. Inhaltlich geht es darum, daß Liam eher wohl mehr so der gefährliche Draufgänger ist: „I carry madness everywhere I go…“ keift er da, wie ein etwas schwachbrüstiger Jumping Jack.

Ähnlich originell geht es dann weiter mit „Mucky Fingers“, einem so irrsinnig dreisten Rip-Off des Velvet-Klassikers „I’m waiting for the man“, daß man sprachlos ist. Das ist kein charmantes „Zitieren“ mehr, daß ist schlicht und einfach Diebstahl. Umso irritierender, daß gerade dieser Song bei den sogenannten Fans als „mutige Weiterentwicklung“ des Sounds gilt.

Danach kommt die stark unterschätzte Single „Layla“. Hier gelingt seltsamerweise die Gratwanderung zwischen unverschämten Diebstahl und lässigem Zitat wieder: „Layla“ ist zwar im Wesentlichen „Street Fighting Man“, aber die gute Layla hat einfach was: Schlicht gestrickt, aber wenigstens eine ehrliche Haut.

Wenn Layla die Cousine von Sally ist, ist „Love Like a bomb“ der eineiige Zwilling von „Songbird“ – inklusive lustig-plätscherndem Piano. Wahrscheinlich sind die beiden Songs sogar gleich lang.

„The importance of beeing idle” sagt uns: Noel hat seinen Oscar Wilde gelesen, oder zumindest mal einen Buchtitel aufgeschnappt (vermutlich in einem Interview mit Morrissey). Kompositorisch an Ray Davies gemahnend, textlich eher „I’m only sleeping“, gehört es aber zu den stärkeren Stücken des Albums, und könnte eine B-Seite aus der „Be here now“-Ära sein.

Dann wirds finster: „Meaning of Soul“ zeigt einmal mehr, daß Oasis eines wirklich nicht können: Punk. Sie kriegen es einfach nicht hin, es klappt nicht. Hat nicht bei „I can see a liar“ geklappt und nicht bei „Hung in a bad place“. Liam ist kein gefährlicher Punker und Oasis ist keine Punkband. Oasis sind ein Paar reiche Altrocker mit Dolce & Gabbana Sonnenbrillen. Da muß man einfach die Kirche beim Dorf lassen.

„Guess god thinks I’m Abel“ , ein etwas understateter Liam-Song, ist recht gelungen. Gleiches gilt für das klaustrophobische Noel-Stück „Part of the queue“, im Wesentlichen „Golden Brown“ von den Stranglers. Dennoch erfreulich, daß Noel auf seine alten Tage offenbar noch ein Paar neue Harmonien lernt.

„Keep the dream alive“ gehört ähnlich wie „It’s getting better (Man!)“, „Who feels love“ und „(Probably) all in the mind“ zu dieser Gruppe Songs, die zwar klingen wie Oasis, aber trotzdem einfach nicht recht zünden wollen.

Ironischerweise ist eines der besten Stücke des Albums von einem „der Neuen“: „A bell will ring“ rockt mit seinen scheppernden Gitarren und seinem Stampfrhytmus recht solide. Wäre eine gute Single, nur so ein Tip.

Leider steht dafür aber schon „Let ther be love“ in den Startlöchern, einem einzigen Klischee von einem Song. So klingt das, wenn man „Let it be“, „Hey Jude“ und „All you need is love“ in die Wurstmaschine wirft und umrührt. Jemand hat in diesem Forum geschrieben „Let there be love“ sei ein Song von geradezu mathematischer Präzision. So falsch ist das gar nicht: Wahrscheinlich könnte man einen Computer programmieren, der Songs erzeugt, die so ähnlich klingen, wie die Beatles.

Nix neues also. Sogar das Bandlogo ist wieder das Alte. Wie schon die Vorgänger hinterlässt „Truth“ einen merkwürdig indifferenten Eindruck. In einem Review konnte man lesen, neue Oasis-Alben seien wie Sex mit der Exfreundin: Große Erwartungen, fader Nachgeschmack. Und genauso isses!
„Standing on the Shoulder“ und Heathen Chemistry“ wurden zur Trilogie erweitert.

--