Re: Cat Stevens

#470911  | PERMALINK

nail75

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tolomoquinkolom
Rushdie hat keine Meinung kundgetan, sondern einen Roman geschrieben. Die Karikaturen haben nichts mit Meinungsfreiheit zu tun.

Doch haben sie beide. Meinungsfreiheit und Pressefreiheit sind nur zwei Aspekte desselben Grundrechts und Kunstfreiheit ist lex specialis zur Meinungsfreiheit. Mit anderen Worten, die Kunstfreiheit ist ein Spezialfall der Meinungsfreiheit (was aber in dieser Diskussion keine Rolle spielt). Die wird vom Bundesverfassungericht so definiert:

Diese Verfassungsnorm gibt jedem das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten. Meinungen sind im Unterschied zu Tatsachenbehauptungen durch die subjektive Einstellung des sich Äußernden zum Gegenstand der Äußerung gekennzeichnet (vgl. zuletzt BVerfGE 90, 241 [247 ff.]). Sie enthalten sein Urteil über Sachverhalte, Ideen oder Personen. Auf diese persönliche Stellungnahme bezieht sich der Grundrechtsschutz. Er besteht deswegen unabhängig davon, ob die Äußerung rational oder emotional, begründet oder grundlos ist und ob sie von anderen für nützlich oder schädlich, wertvoll oder wertlos gehalten wird (vgl. BVerfGE 30, 336 [347]; 33, 1 [14]; 61, 1 [7]). Der Schutz bezieht sich nicht nur auf den Inhalt der Äußerung, sondern auch auf ihre Form. Daß eine Aussage polemisch oder verletzend formuliert ist, entzieht sie nicht schon dem Schutzbereich des Grundrechts (vgl. BVerfGE 54, 129 [138 f.]; 61, 1 [7 f.]). Geschützt ist ferner die Wahl des Ortes und der Zeit einer Äußerung. Der sich Äußernde hat nicht nur das Recht, überhaupt seine Meinung kundzutun. Er darf dafür auch diejenigen Umstände wählen, von denen er sich die größte Verbreitung oder die stärkste Wirkung seiner Meinungskundgabe verspricht.

(BVerfGE 93, 266 („Soldaten sind Mörder“-Urteil)

Das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung ist als unmittelbarster Ausdruck der menschlichen Persönlichkeit in der Gesellschaft eines der vornehmsten Menschenrechte überhaupt (un des droits les plus precieux de l’homme nach Artikel 11 der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte von 1789). Für eine freiheitlich-demokratische Staatsordnung ist es schlechthin konstituierend, denn es ermöglicht erst die ständige geistige Auseinandersetzung, den Kampf der Meinungen, der ihr Lebenselement ist (BVerfGE 5, 85 [205]). Es ist in gewissem Sinn die Grundlage jeder Freiheit überhaupt, „the matrix, the indispensable condition of nearly every other form of freedom“ (Cardozo).

BVerfGE 7, 19 („Lüth“-Urteil)

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Ohne Musik ist alles Leben ein Irrtum.