Re: Cat Stevens

#470761  | PERMALINK

tolomoquinkolom

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Beiträge: 8,651

nail75Diese Fatwa enthielt einen expliziten Tötungsauftrag! Es ging hier nicht um „die Fatwa an sich“, sondern um die Fatwa gegen Rushdie und auf diese bezogen ist Deine Aussage falsch.

Eine Fatwa ist kein Auftrag, sondern ein islamisches Rechtsgutachten, das in der Regel von einem Mufti zu einem speziellen Thema herausgegeben wird. Üblicherweise wird eine Fatwa auf Anfrage einer Einzelperson oder eines Juristen angefertigt, um ein Problem, das im Rahmen der islamischen Religion aufgetreten ist, zu klären. Die Gültigkeit der Fatwa im Fall Rushdie wird von zahlreichen Islam-Gelehrten nicht anerkannt. Ziele solcher Gutachten können keine bestimmten Personen sein, sondern ausschließlich Themen.

nail75Schließlich lebt er weder im Iran, noch hätte er die religiöse Autorität von Khomenei akzeptieren müssen.

Ein Muslim der im Ausland lebt unterliegt ebenso den islamischen Glaubensrichtlinien und sehr wohl auch der Autorität seines geistlichen Führers. Dies dürfte wohl hinreichend bekannt sein. Religionen sind keine basisdemokratischen Diskutier-Clubs mit Wahlfächern.

nail75Dein Vorwurf, Rushdie wäre reingelegt worden, ist schon deshalb reichlich seltsam, weil niemand ihn gezwungen hat, sich so zu äußern.

Rushdie ist nie hereingelegt worden. Obwohl… wo Du es erwähnst… das müsste man noch einmal überdenken…

Im Fall von Yusuf Islam trifft es wohl schon eher zu. Zugegeben, sehr geschickt. Aber Presseleute sind recht clever. Was ich meine:

Y. Islam sprach mit Studenten der Kingston University über seinen Wechsel zum Islam und diskutierte dabei auch die Auslegung der Schriften des Koran über Gotteslästerung und die Folgen einer solchen. Eben über das, was der Koran in einem solch hypothetischen Fall vorschreibt. Bei der provokanten Nachfrage, ob dies auch im Fall Rushdies gelte, dürfte jedem vernünftigen Menschen klar sein, dass Y. Islam in dieser Situation wohl schlecht sagen konnte: Nun, der allgemein verbindliche Koran, unsere Heilige Schrift, kennt natürlich keine Ausnahmen – außer jener für Salman Rushdie. Hier schnappte die Falle zu und der naive Neu-Moslem saß drin.

I was asked a question about blasphemy according to Islamic law, I simply repeated the legal view according to my limited knowledge of the Scriptural texts, based directly on historical commentaries of the Qur’an. In Islam there is a line between let’s say freedom and the line which is then transgressed into immorality and irresponsibility and I think as far as this writer is concerned, unfortunately, he has been irresponsible with his freedom of speech. Any writer who abuses the prophet, or indeed any prophet, under Islamic law, the sentence for that is actually death. It’s got to be seen as a deterrent, so that other people should not commit the same mistake again. The next day the newspaper headlines read, „Cat Says, Kill Rushdie.“ I was abhorred, but what could I do?

[Man kann dies übrigens auch alles in einem längeren Interview des US-Rolling Stone von 2007 nachlesen.]

nail75Mit Abstand die problematischste Deiner Aussagen ist jedoch die Erste. Sie geht von der vollkommen falschen Voraussetzung aus, es herrsche in der islamischen Welt Einigkeit über die Verurteilung Rushdies. Das ist jedoch vollkommen falsch.

In der islamischen Welt herrschte noch nie Einigkeit. Eine Aussage in dieser Richtung und im Zusammenhang mit Rushdie habe ich nicht gemacht. Von einer ‘Verurteilung’ Rushdies zu sprechen, halte ich allerdings für verwegen.

nail75Deine Interpretation von Meinungsfreiheit würde bedeuten, dass wir jegliches Verhalten akzeptieren, das vorgibt, aus religiösen Motiven zu erfolgen. Morde, Verstümmelungen, Folter und ähnliches wären alle gerechtfertigt und zulässig, sofern damit lediglich „religiösen Anordnungen“ gehorcht wird. Bist Du Dir sicher, dass Du das befürworten willst?

Wo soll ich derartigen Unsinn in Zusammenhang mit Meinungsfreiheit geschrieben haben? Meinungsfreiheit kann man nicht interpretieren. Es gibt allerdings ethische Grenzen der Meinungsfreiheit. Dass ich die von Dir genannten Gräuel selbstverständlich verabscheue, sollte ich gar nicht erst schreiben müssen.

nail75Abgesehen von der offensichtlichen Lüge, er habe nicht den Tod von Rushdie gefordert, dreht Stevens die Verantwortlichkeit um. Nicht er oder Khomeni, sondern Rushdie habe sich in blasphemischer Weise geäußert und damit eine internationale Krise heraufbeschworen.

[Den zitierten 2. Satz hast Du so sicher nicht gemeint, aber ich lese ihn, als wäre Rushdie ein Gott und Y. Islam und dieser Greis Khomeni hätten sich irgendwie blasphemisch über ihn geäußert?]

Lächerlich! Yusuf Islam hat nie den Tod Rushdies gefordert. Das war selbst Rushdie bewusst. ‘Cat says, kill Rushdie!’ war eine Schlagzeile und kein Zitat. Und wenn Du Dir die Reihenfolge noch einmal durch den Kopf gehen lässt: Ohne das Buch hätte es keine Krise gegeben. Ohne weltpolitische Spiele und die Überreaktion in Teheran allerdings auch nicht. Am kommenden Samstag hat diese unsinnige Fatwa übrigens 20. Geburtstag. Es sollte jedem klar sein, dass es nicht am britischen Geheimdienst liegt, dass Salman Rushdie auch diesen Tag überleben wird.

Offensichtlich hast Du Salman Rushdies wunderbar leichtes und intelligentes Buch “Die satanischen Verse” ebenso wenig gelesen, wie diese verbohrten Mullas bzw. jene unwissenden Rushdie-Hasser, die wider besseren Wissens gegen den Autor auf die Straßen gehetzt wurden. Wer mit betroffenen Personen spricht oder sich selbst Gedanken darüber macht, wie diese (für uns Europäer sehr amüsante) Verulkung des Propheten Mohammed (in den betreffenden Romanpassagen Mahound genannt) bei einem gläubigen Moslem ankommt, dem dürfte es schwer fallen, die Blasphemie in Rushdies Text zu überlesen. Es ist daher dabei immer auch zu berücksichtigen und zu respektieren, dass man sich hier in einem nicht-christlichen Glaubensgebäude bewegt, dem wir hier oft nur kopfschüttelnd gegenüberstehen.

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