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Monika Maron ∙ Bitterfelder Bogen
In ihrem Debütroman schrieb Monika Marons Alter Ego Josefa Nadler einen Bericht über die dreckigste Stadt der Welt: Bitterfeld. Aufgrund seiner tendenziösen Sicht wird der Artikel nie veröffentlicht.
„Flugasche“ ist mehr als ein Zeitdo-kument der DDR. Vieles, was Maron damals beschrieb, ist aktuell geblieben. Knapp 30 Jahre später nun kehrt sie nach Bitterfeld zurück und beschreibt in ihrem Bericht die Veränderungen, die die 30 Kilometer von Leipzig entfernte Stadt seit Ende des 19. Jahrhunderts erlebt hat. Insbesondere aber die Zeit nach der Wende, als aus einer kleinen Solarzellenfabrik der größte Solarzellenhersteller der Welt entstand.
Der gebürtigen Berlinerin Maron gelingt es mühelos, die zuweilen doch drögen physikalischen Beschreibungen und historischen Hintergründe, sprachlich bildhaft und verständlich zu machen.
Mit viel Humor schildert sie beispielsweise, wie der Unternehmer Jürgen Preiss-Daimler sich in Bitterfeld niedergelassen hat und wie dessen Lieblingsfarbe Türkis mit ihm in die Stadt einzog. Zäune, Schilder, Brücken: alles wurde Türkis gestrichen. Und als sich erwies, dass das Türkis der Skulptur einer Chemiearbeiterin Grünspan und keine besitzanzeigende Farbe war, heißt es bei Maron schelmisch: „Sie hat sich freiwillig eingefärbt“.
Das kleine Puzzle-Teil in den großen Kontext zu stellen, ist eine Kunstform, die Maron beherrscht. So gipfelt die Problematik des ORWO Net AG – Vorstandsvorsitzenden Gerhard Köhler, mit seinen westdeutschen Kollegen Doppelkopf zu spielen, in der Frage: „Können Sie sich das Chaos vorstellen, wenn die Ossis die Wessis übernommen hätten?“
Es ist die Herangehensweise von Monika Maron, Leute zu befragen und anhand dieser persönlichen Erfahrungen zu verdeutlichen, wie sich eine Stadt innerhalb von Jahrzehnten gewandelt hat. Und auch mit Kritik an Kollegen spart Maron nicht. All das lässt erahnen, wie Josefa Nadlers Bericht einst zu lesen gewesen wäre. Hervorragend.
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