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Martin Kluger: Der Vogel, der spazieren ging. Dumont: Köln, 2008, 318 Seiten, 19.90 Euro.
Samuel Leiser wohnt in Paris. Er lebt getrennt von Letitia, der Mutter seiner pubertierenden Tochter Ashley, und weit weg von seinem Vater, dem Schriftsteller Jonathan Still. Samuel übersetzt die Abenteuer des Detektivs Paul Perrone ins Deutsche, die Yehuda Leiser – so hieß sein Vater vor der Emigration – ersonnen hat.
Im Sommer Anfang der 70er Jahre flüchtet Sams Tochter zu ihm nach Paris. Sein Versuch, ein paar Wochen ungestört mit ihr zu verbringen, scheitert zum einen an dem seltsamen Kind, das im Traum alte Frauen umbringt. Zum anderen daran, dass sich die gesammelte „Mischpoke“, vom Mafia-Onkel Meyer über Letitia und ihren schauspielernden Freund, ihren Vater bis zu Samuels eigenen Vater samt neuer Freundin, in seiner Wohnung zusammenfindet.
Zu allem Überfluss verliebt sich Samuel auch noch in seine Spanischlehrerin. Oder kurz mit den Worten des Protagonisten zusammengefasst: „Meine Tochter macht mir Sorgen. Meine Geliebte versteht mich nicht. Mein Vater ist ein Sadist. Meine Mutter ist verschollen. Dafür ist die Mutter meiner Tochter in der Stadt und zeigt sich nicht. Habe ich was vergessen? Ach ja, ich hinke meiner Arbeit hinterher.“
Mit seinem vierten Roman gelingt Martin Kluger eine jüdische Familien-Farce im Stile von Woody-Allen-Komödien. Geschickt konstruiert der Autor eine Melange mit Motiven aus unterschiedlichen Genres: Kriminal- und Trivialliteratur sowie Filmelementen. Der gebürtige Berliner ist auch Drehbuchautor. Gerade die Dialoge gelingen ihm ausgesprochen gut. Ein weiteres Vergnügen bereitet Klugers bildreiche und präzise Sprache. Da wird der Himmel über Paris schon mal als „wehrmachtsgraue Felddecke“ bezeichnet.
Einziges Manko des Romans sind die mitunter zu intelligenten Einwürfe, Reminiszenzen und Zitate, die zwar nicht den Lesefluss stören, aber die Prosa unnötig aufplustern und etwas die Leichtigkeit nimmt. Dennoch hat Martin Kluger völlig zu Recht den Literaturpreis der Stadt Bremen bekommen. Empfehlenswert.
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