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@Declan: „Short Cuts“ stand in der ursprünglichen Version des Artikels auch als Referenz, musste ich aber kürzen und dann fiel das raus. In dem Zusammenhang fällt mir Murakamis „Nach dem Beben“ ein – sicherlich ohne Verknüpfung der Figuren. Allerdings halte ich gerade das bei Kehlmann für bemüht und missraten. Wie ein Künstler, der noch einen Roman beim Verlag abgeben muss, um aus seinem Vertrag zu kommen. Weil er aber nur ein paar Kurzgeschichten hat, werden diese bemüht und rasch verknüpft und als Roman verkauft.
Zum anderen Punkt: Es geht nicht darum, dass ein paar Fragen offenbleiben. Es geht darum, dass Kehlmann zu viele beantwortet. Und leider oft mit dem Holzhammer. Das mag ich nicht. Das letzte Mal, dass mich etwas derart geärgert hat, war bei Khaled Hosseinis „Drachenläufer“: Trivialliteratur.
Wer es deutlich besser macht:
Thomas Bernhard – Meine Preise
Plötzlich ist alles wieder da. Die langen Sätze, die absatzlos aneinandergereiht werden. Die zusammengesetzten Wörter, das Granteln und Übertreiben: Der „völlig durchinstrumentierte Wahnsinn“.
Thomas Bernhard, einer der berühmtesten österreichischen Schriftsteller, hat in seinem Testament verfügt, dass nach seinem Tod 1989 weder Stücke von ihm aufgeführt noch publiziert werden dürfen. 20 Jahre lang ist kein Werk veröffentlicht worden. Seinem Halbbruder Dr. Peter Fabjan gelang es durch die Gründung einer Privatstiftung, das Testament zu umgehen.
Nun ist also mit „Meine Preise“ das erste Buch aus dem Nachlass erschienen. Entstanden sind die neun Prosa-Texte 1980. Ergänzt wurden sie um drei Reden, die der in den Niederlanden geborene österreichische Schriftsteller anlässlich der Preisverleihungen gehalten hat.
Prosa von Thomas Bernhard zu lesen, ist für Bernhard-Liebhaber wie nach Hause kommen: Alles ist bekannt und hat seinen richtigen Platz. Die Themen haben sich nie geändert. Der Staat und seine Minister sind ihm verhasst. Preise und deren Verleihungen sind ihm zuwider: Wäre nicht das Preisgeld, nähme er sie gar nicht erst entgegen. Soviel Selbstkritik muss sein. „Wir wissen nicht, handelt es sich um die Tragödie um der Komödie willen, oder um die Komödie um der Tragödie willen“: Die Balance aus Humor und Ernsthaftigkeit, aus Fiktion und Biografie, aus Parodie und Dialektik ist es einmal mehr, die der „Übertreibungskünstler“ Bernhard meisterhaft und virtuos beherrscht.
Der Österreicher schafft es, anzuecken und „vor den Kopf zu stoßen“, aber auch zu unterhalten. Wenn bereits Filmschauspieler wie Heath Ledger posthum geehrt werden, dann sollte das Nobelpreis-Komitee darüber nachdenken, Thomas Bernhard für sein Lebenswerk zu ehren. Auch wenn wir nicht in den Genuss einer gewiss skandalträchtigen Preisrede kämen: Verdient wäre es allemal. Naturgemäß.
Thomas Bernhard: Meine Preise. Eine Bilanz. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main. 2009, 144 Seiten, 15.80 Euro.
Nachzulesen auch hier.
Ebenfalls dazu ein Artikelchen über Bernhard zum 20. Todestag.
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