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Daniel Kehlmanns misslungener „Ruhm“: Vermessenes Spiel
Eigentlich ist alles wie immer: „Geschichten in Geschichten in Geschichten. Man weiß nie, wo eine endet und eine andere beginnt! In Wahrheit fließen alle ineinander. Nur in Büchern sind sie säuberlich getrennt.“ Das ist Daniel Kehlmanns Art zu schreiben. Daraus kann ein großartiger Roman wie die „Vermessung der Welt“ entstehen. Ein Bestseller, der mit dem historischen Roman kokettiert und dessen Figuren die Handlung mit anachronistischen Dialogen vorantragen. Vier Jahre später erscheint das als „Roman in neun Geschichten“ titulierte neue Werk „Ruhm“. Wieder ein Experiment: diesmal ein missratenes.
Worum es geht: In neun Kurzgeschichten versucht der Autor, Handlungsstränge zu verbinden. Ein Techniker kauft sich ein Handy und stellt fest, dass die Telefonnummer doppelt vergeben wurde. Er nutzt die Möglichkeit, seiner wenig glamourösen Wirklichkeit zu entkommen. Dem Schauspieler, dem die Telefonnummer ursprünglich gehörte, widmet Kehlmann genauso eine Episode wie dem TelekommunikationsAbteilungsleiter, der die Nummernvergabe zu verantworten hat. Daneben gibt es einen Schriftsteller, der dazu neigt, seine Bekanntschaften in seine Geschichten einzupflegen. Zweimal lässt Kehlmann zudem eine mysteriöse Figur auftauchen, die als allwissender Erzähler zu identifizieren ist. Suspekt? Ja, aber unspannend.
In der Musik würde „Ruhm“ als Konzeptalbum kategorisiert, im Kino wäre es ein Episodenfilm. In der Literatur allerdings ist es ein Konstrukt. Dass Kehlmanns Reigen scheitert, liegt nicht nur an den farblosen Figuren. So verpufft die klischeehafte Kritik an der Kommunikationsgesellschaft. Da, wo Raffinesse und Subtilität vonnöten gewesen wären, setzt Kehlmann auf den Holzhammer. Der Leser wird gegängelt, ihm wird kein Freiraum geboten. Was bleibt, ist ein böse ironisches Kapitel über einen esoterischen Schriftsteller (in dem sich unschwer Paulo Coelho erkennen lässt), dessen Metaphysik und Spiritualität Wellness für die Massen bieten. Ein peinlich berührender Plot und letztlich ein Vexierspiel voller Vorhersehbarkeit: vermessen.
Nachzulesen: hier.
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