Re: Afrika

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MaggotBrain

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Noch zwei Nachrufe…


Miriam Makeba war die erste afrikanische Künstlerin, die in der westlichen Welt mit offenen Armen empfangen wurde. Binnen weniger Wochen machte Harry Belafonte sie in Amerika zum Star. Im November 1959 sang sie im New Yorker Jazzclub Village Vanguard, Belafonte hatte zur Premiere eingeladen und alle waren gekommen: Duke Ellington, Miles Davis, Nina Simone, Sidney Portier. „Mir zitterten die Knie“, berichtete sie, „ich bin Belafonte dankbar dafür, dass ich durch ihn Menschen kennen gelernt habe, die die Geschichte des 20. Jahrhunderts maßgeblich geprägt haben, Männer wie Martin Luther King und John F. Kennedy. Ich kam von nirgendwo — von einem unterdrückten Volk — und bekam die Gelegenheit, diese Menschen zu treffen und für sie zu singen.“ In den Sechziger Jahren lebte sie in A merika, weckte dort ein starkes Interesse an der Kultur ihres Heimatlandes und ebnete für zahlreiche afrikanische Künstler einen Weg zu internationaler Anerkennung.

Vor der UN-Generalversammlung sprach Makeba wiederholt gegen die Apartheid, doch nachdem Sie Ende der Sechziger Jahre den militanten Bürgerrechtler Stokeley Carmichael geheiratet hatte, war sie in den Staaten mehr und mehr unerwünscht. Bis zuletzt fühlte sie sich als Opfer von Missverständnissen und politischen Intrigen. „Diejenigen, die meinen, Makeba sei eine politische Sängerin, irren. Als ich gesagt habe, dass ich aus den Townships komme, dass die Menschen nach ihrer Hautfarbe getrennt leben müssen, dass wir nicht mit den Bussen fahren dürfen, war das die Wahrheit. Ich habe die Wahrheit gesagt, aber die Amerikaner pflegen damit auf eine sehr eigene Art umzugehen. Zunächst haben sie mich umjubelt — da war ich die Exotin vom schwarzen Kontinent. Später hat mich das FBI observiert und auf Schritt und Tritt verfolgt, bis ich es nicht mehr aushielt und das Land verlassen habe.“

In den Sechziger Jahren galt ihre Art, sich zu stylen, als hip und schick. Ihre Kleidung und Frisur wurde besonders in Amerika als Inbegriff afrikanischer Schönheit und Stolz interpretiert. „Doch für mich war das Exil sehr schmerzhaft. Viele haben es nicht überlebt. Ich war einsam, meine Ehen sind alle gescheitert. Ich hätte gern eine lebenslange Ehe geführt, aber mit fehlte immer der Halt — mein Vater starb, als ich sechs war.“ Am 9. November trat Miriam Makeba bei einem Benefizkonzert für Roberto Saviano in Italien auf und erlitt auf der Bühne einen Herzinfarkt. Am 10. November verstarb Mama Afrika im Krankenhaus, sie wurde 76 Jahre alt.


In Memoriam Miriam Makeba

Seit Jahren hatte sie immer wieder ihren Abschied von der Bühne angekündigt. Nun ist sie ebendort gegangen: Die üdafrikanische Sängerin Miriam Makeba starb am Abend des 9. November im Alter von 76 Jahren unmittelbar nach einem Wohltätigkeitsauftritt im süditalienischen Castel Volturno an einem Herzinfarkt.

Die kräftige, modulationsreiche Stimme der jungen Xhosa-Frau kam ab den 1950ern zur Geltung, vor allem mit dem Frauentrio The Skylarks. Ihre Solokarriere begann, als sie 1959 vom US-Filmer Lionel Rogosin für einen Auftritt in einer Anti-Apartheid-Dokumentation engagiert wurde. Um den Streifen zu promoten, verließ sie ihre Heimat, erfuhr buchstäblich binnen Wochen einen unglaublichen Aufstieg zu internationaler Popularität. Harry Belafonte erschloss ihr als Mentor Auftritte in Los Angeles und New York, wo sie vor Jazzgrößen wie Duke Ellington und Miles Davis auf die Bühne ging. Als sie in Übersee mit dem neu gewonnenen Selbstbewusstsein begann, die Unterdrückung ihres Volkes anzuprangern, verweigerte ihr das heimische Konsulat die Rückreise: Eine Verbannung, die 30 Jahre währte.

In den USA strebte ihre Gesangskarriere derweil von Gipfel zu Gipfel: Sie verkehrte mit allen wichtigen Jazzern, tourte intensiv mit Belafonte und sang 1962 auf der Geburtstagsparty von J.F. Kennedy das berühmte Wimoweh. 1963 sprach sie erstmals vor der UNO und verlangte den Boykott des Apartheid-Regimes, was ihr Plattenzensur in der Heimat einbrachte. Die längste Zeit des Exils verbrachte sie in Afrika: Zwar bescherten ihr die USA für das Duo-Album An Evening With Miriam Makeba And Harry Belafonte einen Grammy und mit dem schlichten Tanzlied „Pata Pata“ den ersten US Top Ten-Hit einer afrikanischen Sängerin. Doch als sie eine Liaison mit dem Bürgerrechtler Stokely Carmichael einging, folgten Beschattungen und Kündigungen aller Engagements auf dem Fuße. Sekou Touré gewährte 1969 Asyl in Guinea.

Vom neuen Stützpunkt aus erweiterte Makeba ihre politischen Aktivitäten, entwickelte ein von Protestliedern gespicktes Repertoire in einem zeitgemäßen, funky Kleid. Überhaupt zeigte sich ihr Sound wandlungsfähig: Von folkigem Ton, über Jazz und brasilianische Tupfer bis zu breitwandigem Pop erstreckte sich ihr Spektrum über diese Jahrzehnte. Ihre weltweiten Auftritte wurden schließlich durch die Teilnahme an Paul Simons „Graceland“-Tour gekrönt. 1990 bat Nelson Mandela sie nach Hause zurück. In den Postapartheids-Jahren setzte sich vor allem das Bild der „Mama Afrika“ durch. Musikalisch mochte sie den Anschluss an die Aktualität verpasst haben, politisch hat sie unermüdlich weitergekämpft: Für Menschen- und Frauenrechte und mit der Gründung von NGOs, wofür sie in den letzten Jahren etliche Auszeichnungen erhalten hat. 2000 gelang ihr mit „Homeland“ nochmals ein schönes Album, an dem Lokua Kanza mitproduziert hat. Nicht nur die Weltmusik-Szene trauert um eine Grande Dame mit Familiensinn und Löwenherz.

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Wann kommt Horst Lichter mit dem Händlerkärtchen und knallt mich ab?