Re: BAP

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annamax

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BAP zieht den Stecker – Tour 2014 … macht Station in Ulm

Niedeckens BAP „janz höösch“

Ulm:“BAP zieht den Stecker“ steht über der Tour, die Wolfgang Niedecken auch an die Donau geführt hat. Unplugged schafften es die Kölner, selbst das sonst eher verhaltene Ulmer Publikum in Bewegung zu setzen.

Sie tun es. Sie tun es wirklich. Bei der ersten Zugabe im bestuhlten Ulmer CCU, nach gut drei Stunden braven Sitzens, schunkelt Schwaben. Gut, nicht alle Schwaben, schließlich ist es ja irgendwie komisch, und ein wenig stört die Armlehne beim rheinischen Stuhltanz, aber es geht. Wolfgang Niedecken hat sie dazu aufgefordert. Er ist begeistert, die wenigen Verweigerer übersieht er charmant.

Der 63-jährige Rocker aus der Kölner Südstadt, der Mann, der mit seiner Band BAP 1982 – damals noch im Müngersdorfer Stadion – als Vorgruppe der Rolling Stones auftrat, er lächelt altersmilde. Unter dem ergrauten, noch immer wilden Haarschopf blitzen freundliche Augen. Dem Wolfgang geht das kölsche Hätz auf.

Was für ein Unterschied. Zu damals. 1979 in einer Schulaula in Köln-Ehrenfeld. „BAP rockt andere kölsche Leeder“ hieß die erste Platte, und so stand es auf den Plakaten zur Tour. Waren wir 200 oder 300 Fans, die entrückt zu „Wahnsinn“ abrockten? Damals ging uns das Herz auf. Da war einer, der Mundart sang. Aber keine geknödelten Jubel-Jodler. Keine Kölner Karnevalsglückseligkeit. Nicht Willy Millowitsch. Sondern Texte, die unseren Nerv trafen, angefeuert von einem knallharten RocknRoll-Sound mit einem Sänger, der die kölsche Sprache förmlich rausrotzte. Nicht alles verstand man. Aber das war gleichgültig. Es war wild, es war laut, und deshalb war es toll.

Im Ulmer CCU beginnt das Konzert zur „BAP zieht den Stecker“-Tour vor rund 1400 Zuhörern mit dem Geläut des Kölner Doms. Über der Unplugged-Szenerie mit Studioscheinwerfern und einer winzigen Stehlampe am Platz von Wolfgang Niedecken tauchen drei Kronen auf – das Symbol der Heiligen drei Könige im Kölner Wappen. Ein Mann, versöhnt mit seiner Herkunft, seiner Stadt.

Die Sprache, die früher seine Wut, seinen Protest und seine Verzweiflung an der Borniertheit der Politik transportierte, ist weich, besinnlich geworden. „Nach all dänne Johre“ wird wunderbar getragen von der siebenköpfigen Band, allen voran Gitarrist Ulrich Rode mit seiner Ehefrau, der Violinistin Anne de Wolff. Rodes Pedal Steel Guitar zaubert Klangteppiche ins CCU. Selbst Klassiker wie die „Rut-wieß-blau querjestriefte Frau“ und „Neppes, Ihrefeld und Kreuzberg“ ändern ihren Charakter, werden fast melancholisch.

Auch wenn Wolfgang Niedecken noch immer im unvermeidlichen Jeanshemd und den Cowboy-Stiefeln auf der Bühne sitzt, er ist ein anderer geworden. Im November 2011 erlitt er in seinem Haus einen Schlaganfall. Niedecken hatte Glück, seine Frau fand ihn kurz danach, die Ärzte retteten den Kölner. Der Weg zurück ins Leben war schwer. Am Anfang habe er beim Gitarrespiel nicht einmal das Plektrum in der rechten Hand halten könne, erzählte der Musiker später. Jetzt sitzt er wieder auf der Bühne, spult dreieinhalb Stunden lang ein Programm ab, als sei nie etwas gewesen. Und doch hat er sich verändert.

Das Schlüsselwort dazu ist „höösch“. Niedecken erklärt es dem Publikum vor dem Stück „Zosamme Alt“, dem Titelsong seiner neuen CD. Er habe Schutzengel gehabt, die ihn bei seinem Schlaganfall vor Schlimmerem bewahrt hätten. Das Leben gehe er nun „höösch“ an. Still, leise, ruhig: Die wörtliche Übersetzung kann die Bedeutung des Wortes nicht erfassen. Es ist eine Lebenseinstellung, Dinge gelassen anzugehen – eben altersweise. Wobei sich Niedecken selbst dort noch nicht sieht. Er sei mit 63 längst nicht so weise, wie Bob Dylan es mit 23 gewesen sei.

Am Ende des Konzerts blitzt sie dann doch noch einmal auf, die BAP-Zeit der 80er Jahre. Zum Klassiker „Verdamp lang her“ hält es auch das Publikum nicht mehr auf den Stühlen, und Percussion-Wunder Rhani Krija heizt die Stimmung an. Die Erinnerung wird wieder wach an den urgewaltigen Sound aus der Kölner Südstadt, an das Konzert vor 35 Jahren. Doch das ist schnell vorbei. Nach der Ballade „Sendeschluss“ zieht es das Ulmer Publikum nach Hause – janz höösch, mit wenig RocknRoll aber viel Gefühl im Herzen.

http://www.swp.de/ulm/nachrichten/kultur/Niedeckens-BAP-janz-hoeoesch;art4308,2556213

Sehr feines und relaxtes Konzert am Sonntag abend. Da verpasst man den Tatort doch gerne.
Wenn nur nicht diese bekloppten Dauerklatscher wären, die total neben dem Takt liegen und schon vor 30 Jahren das Intro zu Kristallnaach immer verhauen haben.
Vor allem der Schlusssatz der Besprechung oben findet meine vollumfängliche Unterstützung.

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I'm pretty good with the past. It's the present I can't understand.