Re: The Sound of German HipHop

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cassavetes

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dagobertdeutsche rapmusik wird zur zeit quantitativ von „berlin“ überrollt

Qualitativ allerdings auch. Man mag die behandelten Themen scheiße finden, aber nichtsdestotrotz haben unsere Berliner den deutschen HipHop sowohl vom Style als auch von den Beats (allen voran Ilan, Beathoavenz, Joe Rilla/Ostblokk Plattenbau usw.) her deutlich nach vorne gebracht. (Gegenbeispiele, also Leute, die flow-technisch immer noch so holprig unterwegs sind wie 1994, gibt es natürlich auch reichlich an der Spree, das will ich gar nicht bestreiten.)

dagobertwährend die usa auf eine intakte alternativszene zurückgreifen können.

Stimmt, das Backpackertum ist in der letzten Jahren wirklich deutlich auf dem Rückzug gewesen. Es finden auch irgendwie keine vernünftigen Jams mehr im Bundesgebiet statt – das ist zumindest so mein Eindruck. Einmal im Jahr das „Splash“, hier und da vereinzelte DJ-Teams, die auflegen und dann natürlich die großen Touren (wie etwa Azad & Savas, Bushido oder die Lieblings Rapper). Gerade letzteres kann man allerdings auch wieder positiv wenden und das als eine Entwicklung hin zu mehr Professionalität in der Szene ansehen. Die machen jetzt halt richtig Booking, kommen im Nightliner vorgefahren und reisen eben nicht mehr mit dem Interregio und dem Wochenend-Ticket an.

dagobertselbst das letzte curse album ging völlig unter.

Nicht unverdient, wie ich finde. Er hat halt nicht mehr das Allermeiste an Neuem zu erzählen. Und die ganze „Gangstarap“-Geschichte fand ich auch eher ungut. So nach dem Sozialpädagogen-Motto „Hey Jungs, ich find doch auch gut, was ihr da macht, aber denkt doch auch mal an die Kids… blabla…“
Das einzige Album, um das ich es wirklich schade fand, daß es dermaßen unterging in letzter Zeit, war „Hammer“ von Afrob im letzten Jahr.

dagobertdafür hört man jeden tag irgendetwas neues von irgendwelchen neuen millionären, porno königen und goldzahnimplantaten.

Millionär ist mit deutschem Rap, glaube ich, noch keiner geworden – nicht mal sido, der kurz vor Platin steht. Die Brote oder die Fantas mal außen vor gelassen. (Wobei, sind deren neue Sachen überhaupt noch Rap? Andererseits: Warum nicht? Rap ist ein großes Haus mit vielen Fenstern und Türen, das allen offen steht.)
Daß der Crunk-, Bling Bling- und Goldzahn-Rap allerdings momentan auch im HipHop-Mutterland schwer den Ton angibt – und da mit Conscious momentan nicht viel zu reißen ist -, wirst du wohl auch nicht abstreiten. Daß viele das Ganze unreflektiert 1:1 meinen, übernehmen zu können für ihr „Ghetto“ (Osnabrück, Delmenhorst – you name it), spricht natürlich auch nicht immer für die bundesdeutschen Rap-Protagonisten.

dagobertdie masse nervt. ich vermisse die abwechslung.

Mit dem Buddeln und Diggen hast du sicherlich recht, das muß schon sein – allerdings wird man da immer auch noch fündig, und wie ich finde, gibt es da sogar mehr und bessere Releases als in den 90ern (die natürlich medial weniger als früher wahrgenommen werden „dank“ ersguterjunge und Aggro). Dennoch denke ich, daß es noch genug Abwechslung gibt. Sieh dir doch nur mal die Releases der letzten Monate an: Die Lieblings Rapper neben Olli Banjo, Automatikk neben Tone, Orgi 69 neben Jonesmann, Prinz Porno (laßt euch vom Namen nicht täuschen!!!) neben J-Luv usw. usf.
Berlin hat jetzt eben seine große Zeit, andere Städte waren ja bereits in der Vergangenheit dran (Frankfurt, Stuttgart, Hamburg). Es ist allerdings nicht so, daß es in Berlin nur den „Gangster-Film“ gibt – da gibt es genauso deepe Conscious-Sachen, hör dir nur mal die Sachen von Shizoe oder „Regen“ von B-Lash an oder (ganz aktuell) die „Deutschland ist krank“ von Kobra.
Und selbst die absoluten Proll-Rapper wie Hengzt, MC Bogy oder auch Frauenarzt sind in der Lage, zwei oder drei nachdenkliche Songs auf jedem Album zu machen (sofern sie denn Bock darauf haben). Das ist für mich Vielseitigkeit, durch die viele Heroen der 90er damals noch nicht unbedingt aufgefallen sind.
Das macht für mich auch die Reichhaltigkeit des deutschen Rap aus. Alle Styles werden gekickt – wobei die Street-Sachen natürlich überwiegen momentan. Was ich persönlich aber mal gar nicht für die schlechteste Entwicklung halte.
Auf so einem qualitativ hochwertigen Level wie in 2005/06 war der deutsche Rap jedenfalls schon lange nicht mehr (in meinen Augen sogar: noch nie zuvor). Es geht voran. Ich sehe das Ganze jedenfalls optimistisch.