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In den letzten Wochen gesehen und für erwähnenswert gehalten – Teil 1:
Wer stirbt schon gerne unter Palmen (Alfred Vohrer, 1974)
Nicht nur wegen Thomas Hunter der perfekte Partnerfilm zu Jesús Francos „X 312 – Flug zur Hölle“, auch Vohrer interessiert sich mehr für die Sehnsüchte seiner Protagonisten als für eine abenteuerliche Survivalgeschichte.
Glauco Onoratos latente Gewaltätigkeit entlädt sich erst gegen wehrlose Tiere und später dann gegen seine Mitgestrandeten, dabei hatte der Film ihn erst als Sympathieträger eingeführt. Sein Gegenpol, ein windiger Playboy, entpuppt sich hingegen doch als empathischer Typ und nicht als brutaler Chauvi. Im Laufe des sich anbahnenden Konfliktes zeichnet es sich dann ab: Für in ihrer klassischen, maskulinen Macherolle gefangene Typen gibt es hier keine Zukunft – ich habe es schon öfter gedacht, jetzt schreibe ich es: Vohrer ist der deutsche Nicholas Ray.
Old Shatterhand (Hugo Fregonese, 1964)
Winnetou wurde in allen anderen Filmen der deutschen Karl May-Reihe grundsätzlich auf zwei verschiedene Arten gezeichnet: In Harald Reinls Filmen bleibt er mythisch und dem Publikum immer etwas fremd, erst als tapferer, aber auch wütender Krieger dann als weiser, dem Tode näher als dem Leben stehender Mahner. Das gibt ihm eine eigenwillige Würde, die ihn nie zum indianischen Sidekick oder, schlimmer noch, zum an das Publikum assimilierten Weißen verkommen lässt. In den restlichen Filmen der Reihe sieht das etwas anders aus, häufig taucht er nur als guter Retter in der letzten Sekunde auf (dazu nicht gerade selten…) und hat außer aufopferungsvollen Salbungen für seine weißen Freunde nicht viel zu sagen.
Hugo Fregonese bricht mit beiden Archetypen – zugegebenermaßen wurde zweiterer aber auch erst ab 1965 wirklich vorherrschend – und präsentiert einen großangelegten Indianerwestern.
Es ist der einzige Film der Reihe, in dem es, dem Titel zum Trotz, ganz um Winnetou geht. Wichtige Entscheidungen werden hier plötzlich nicht mehr am Lagerfeuer der Siedler/Soldaten/etc., sondern im Dorf der Indianer getroffen und auch der sonst so omnipotente Old Shatterhand kann am Ende nicht verhindern, dass sich der Häuptling gezwungen sieht, sein Volk in einen gnadenlosen Überlebenskampf zu führen. Hollywoodveteran Fregonese gestaltet seinen Film generell recht ruppig, gestorben wird viel und unglamourös und auch vor einem kleinen Jungen wird nicht haltgemacht (bei Reinl auch nicht, aber dessen teilnahmslose Schilderung von Gewalt war auch immer mehr Zuschauerprovokation als dies hier oder bei den ebenfalls emotionaleren und exzessiveren Filmen von Alfred Vohrer der Fall ist).
Ein sehr schöner Film, für dessen Wiederentdeckung ich Napo ausdrücklich danken möchte.
U 47 – Kapitänleutnant Prien (Harald Reinl, 1957)
In seiner Offenlegung der Mechanismen eines Propagandafilmes so etwas wie der Arthouse-Film in Reinls Karriere; schon der Anfang macht deutlich um was es hier wirklich geht:
Dieter Eppler und seine Mannen schippern zu flotter Heldenmusik durch die See, dann fährt Ernst W. Kalinkes Kamera allerdings zur Seite und verrät, dass die Untermalung tatsächlich von einer Willkommenskapelle im Heimathafen stammt. Diesen Bruch in der Wahrnehmung macht sich der Film noch öfter zu Nutze und nach der imposant gedrehten Feindfahrt glauben wir und der gefeierte Kriegsheld dann tatsächlich, dass er etwas gegen das Regime ausrichten kann – dabei steht er doch nach dem ersten Quertritt prompt auf der Beobachtungsliste. Das fatalistischste der fatalistischen Reinl-Enden lehrt uns dann:
Mitmenschlichkeit nützt einem nicht mehr viel, wenn man sie zu spät wiederentdeckt.
Toller Film und dass diese Prien-Biografie aber auch wirklich nichts mit dem wirklichen Kapitän zu tun hat, ebenfalls reine Fabrikation ist, passt dann nur zu gut ins Bild.
Verliebte Ferien in Tirol (Harald Reinl, 1971)
Aus anderen Gründen erwähnenswert:
Im Laufe meines großen Wiedersehens mit Reinls Filmen sind mir viele davon eng (oder noch enger als zuvor) ans Herz gewachsen und ihren Schöpfer halte ich zunehmend für einen großen Auteur des deutschen Kinos; leider hat all diese Zuneigung hier wenig genutzt. „VFiT“ ist schlicht und ergreifend ziemlich entsetzlich, das fängt bei den überspannten Komikeinlagen an und endet bei der, für Reinl unfassbar sozialdidaktisch angeleierten und dick aufgetragenen (aus heutiger Sicht aber immerhin etwas revolutionären) Naturschutzbotschaft. Von dem Andeutungsreichtum, der düsteren Hintergründigkeit seines Kinos ist hier, wie auch bei seinem wahrhaft grauenvollen letzten Film „Im Dschungel ist der Teufel los“ nirgends eine Spur zu finden. Schlimm.
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We are all failures, at least the best of us are.