Re: Der letzte Film, den ich gesehen habe (Vol. II)

Startseite Foren Kulturgut Für Cineasten: die Filme-Diskussion Der letzte Film, den ich gesehen habe (Vol. II) Re: Der letzte Film, den ich gesehen habe (Vol. II)

#4533635  | PERMALINK

Anonym
Inaktiv

Registriert seit: 01.01.1970

Beiträge: 0

Die Maschine
(Regie: François Dupeyron – Deutschland/Frankreich, 1994)

Psychiater Dr. Lacroix testet seine Bewusstseinstransfer-Maschine ausgerechnet an Frauenmörder Zyto. Das Experiment haut hin. Aber Zyto weigert sich, in seinen alten Körper zurückzukehren…

Etwa ein Jahrzehnt bevor François Dupeyron seinen Feuilleton- und Kritikerliebling „Monsieur Ibrahim und die Blumen des Koran“ drehen konnte, versuchte er sich an einem Psychodrama, welches die seelische Topographie eines Mannes mit den Mitteln des Spannungs- und Horrorkinos erforscht, der sich in seiner Ehe und der Beziehung zu seinem Sohn gefangen fühlt, eigentlich auch schon eine junge, hübsche Geliebte als Notausgang erkoren hat, aber doch über seine niederen Instinkte stolpert.
Dabei beginnt „Die Maschine“ als Science-Fiction-Thriller, ganz in die Optik der Eurocult-Streifen gewandet, der die Geschichte von Dr. Frankenstein variiert und die Faszination hinter der Idee, sich selbst durch die Augen eines anderen zu sehen, ergründet. Gleichzeitig spielt Dupeyron mit der Unausweichlichkeit der eigenen Person und des eigenen Denkens, das man, egal in welcher Inkarnation, überall als Erbe mit sich hinschleppt.
Die Parallelen zu John Woos drei Jahre später entstandener Hollywoodarbeit „Face/Off“ (mit Nicolas Cage und John Travolta in den Hauptrollen) sind offensichtlich. Dupeyron inszeniert „Die Maschine“ aber durchgehend als ernsthafte Angelegenheit, was man anerkennen kann, denn das unglaublich komische Potential, das sich in der Geschichte verbirgt, wurde im Komödienfach schon oft ausgeschlachtet. Hier schlummert es glücklicherweise unbedacht unter der Oberfläche. Die einzige Komik, die man in Dupeyrons Film ausmachen kann, ist leider unfreiwillig: Gérard Depardieus schauspielerische Darstellungen eines Kindes gefangen im Körper eines alternden Mannes sind einfach zu grotesk und schlecht, derweil die anderen Körper-wechsel-dich-Spielchen gelingen und glaubwürdig in Szene gesetzt sind.
Ein Pluspunkt sind die nur zur dekorativen Zierde eingesetzten Kamerafahrten, die sich während der ganzen eineinhalb Stunden finden lassen und mit der dämmerigen Einrichtung des Bürgertums, wie schon erwähnt, an viele Filme der 70er Jahre aus Europa erinnern. Obendrauf setzt François Dupeyron noch ein paar gut abgeschaute Giallo-Momente und versucht sich an transgressiven Schocks, wie man sie ebenfalls im Exploitationkino der 70er findet: Ein Vater prügelt seinen Sohn mit blanken Fäusten bewusstlos, während die mit einem Messer zerfetzte Mutter im Bildhintergrund stirbt. Dass sich die Seele/der Geist/die Persönlichkeit seines Kindes nicht in diesem Körper befindet, befreit die Szene nicht von ihrer psychologischen Wucht. Einer der besten Momente von „Die Maschine“.
Wenn man über kleinere Mäkel, wie die umständliche Verleimung der deutsch-französischen Koproduktion durch Depardieus Voice-over, und die etwas lahme Schlusspointe, die noch eine weitere Sicht der Dinge zulässt, hinwegsehen kann, ist dies allemal lohnende Unterhaltung.

Trailer

--