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„Herz aus Stahl“ (Achtung Spoilergefahr)
Männerrunde, daher der Mehrheit gefügt, aber auch nicht generell abgeneigt gewesen. Der Film hatte dann aber bereits verloren, als er mir den mitteleuropäischen April (1945) in herbstlicher Vegetation verkaufen wollte. Tatsächlich ist er denn auch im September/Oktober in England gedreht worden. Überhaupt hätte man die Handlung in den Spätsommer 1944 und nach Frankreich vorverlegen sollen, vieles wäre bei einem angeblich um historische Genauigkeit bemühten Film glaubhafter gewesen. Aber Thematik und Inszenierung schrammten wohl auch so schon eng genug am Soldaten James Ryan vorbei. Entsprechende Vergleiche wurden in der Presse daher auch bemüht. Doch scheitert dies hier allein schon an der Ausarbeitung der Charaktere, die über sattsam bekannte Stereotypen nicht hinauskommen. Nicht bei einem der Darsteller löste der Tod – und viele bleiben nicht übrig – bei mir so etwas wie Empathie aus. Brad Pitt begibt sich als „Wardaddy“ noch einmal ins „Nazi-killing Business“, leider frei jeglicher tarantinoesker Überzeichnung, laut BILD aber Oscar-reif.
Bemerkenswert bleibt allein die unverblümte Darstellung eines amerikanischen Kriegsverbrechens, die jedoch einzig dazu dient, einem zarten besaiteten Jüngling unnachgiebige Härte gegenüber dem Gegner anzuerziehen und keinesfalls als Anklage zu verstehen ist. Diese Härte ist selbstverständlich notwendig, denn der bewaffnete Gegner ist so bestialisch wie tumb und setzt sich vornehmlich aus Mitgliedern der SS zusammen, die Kinder an die Front werfen, jeden aufhängen, der sich dem Endkampf verweigert, oder selbst singend Richtung Front marschieren, um sich sogleich in Kompaniestärke und Lemmingmanier einem einzelnen, fahruntüchtigen Sherman-Panzer zum Fraß vorzuwerfen. Der hatte einige Szenen zuvor einen Tiger-Panzer außer Gefecht gesetzt, auf den zur Handlungszeit an der Westfront zu treffen übrigens faktisch dem Fund der Nadel im Heuhaufen gleichkam. Muss man nicht so verbissen sehen. Schließlich hatten auch deutsche Handgranaten lediglich den Wirkungsgrad eines D-Böllers. Und immerhin, ganz am Ende darf ein junger SS-Schurke kurz eine menschliche Regung zeigen. Die weibliche Bevölkerung bietet sich hingegen umgehend den feschen GIs an, ob nun im Schlafzimmer oder gleich im Panzer, Minimalaufwand Schoki und Zigaretten, Maximalaufwand drei freundliche Sätze, ein wenig Klavierklimperei und aus der Hand lesen. Und natürlich taucht auch die örtliche Nazielite auf, die sich in trauter Eintracht in der guten Stube unterm Führerbild nach einer letzten Orgie die Kugel gab.
„Herz aus Stahl“ ist exzessive Zurschaustellung von Gewalt mit einem plumpen, klischeebeladenen Gut gegen Böse-Schemata, einer Rahmenhandlung, die sich in einem Satz (Sherman-Panzer-Besatzung schießt auf Nazis) zusammenfassen lässt und das „Reflektionsniveau des deutschen Kinos der Fünfzigerjahre“ (Zitat Welt) hat. Grauenhaft! Macht einen Bogen drum.
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Ich brachte meine Vergangenheit im Handgepäck mit. Ihre lagerte irgendwo im Container-Terminal. Als sie ging, benötigte ich einen Seemannssack.