Re: Der letzte Film, den ich gesehen habe (Vol. II)

Startseite Foren Kulturgut Für Cineasten: die Filme-Diskussion Der letzte Film, den ich gesehen habe (Vol. II) Re: Der letzte Film, den ich gesehen habe (Vol. II)

#4530519  | PERMALINK

Anonym
Inaktiv

Registriert seit: 01.01.1970

Beiträge: 0

Der Diktator
(Regie: Larry Charles – USA, 2012)

Der Diktator General Aladeen (Sacha Baron Cohen) vom nordafrikanischen Staat Wadiya soll für eine Stellungnahme nach Amerika kommen. Dort angekommen wird er durch einen Doppelgänger ersetzt. Ihm gelingt die Flucht, doch ohne seinen Bart, der ihm abrasiert wurde, erkennt ihn niemand. Die vegan lebende Öko-Feministin Zoey (Anna Faris) nimmt ihn mit und bietet ihm einen Job in ihrem veganen Lebensmittelmarkt an. Aladeen versucht alles, um in sein Hotel einzudringen und seine alte Identität wieder zubekommen…

Der große Spaß an den Sendungen und Kinofilmen des britischen Komikers Sacha Baron Cohen war immer, dass er das Umfeld einer Mockumentary oder eines Interviews nutzte, um Leute aus dem alltäglichen Leben, sowie Autoritäten und Prominente in eine Situation zu bringen, die sie dazu zwingt, auf rassistische und sexistische Stereotypen zu reagieren, die tief im öffentlichen Bewusstsein verankert sind. Der Zwiespalt zwischen dem Bemühen im nationalen Fernsehen (oder in einer internationalen Kinoproduktion) eine gute Figur zu machen (das heißt vor allem einen aufgeklärten, weltoffenen Bürger darzustellen) und seinen eigenen Idealen und Vorstellungen (hier eben oft auch Vorurteile, Dummheit und Ignoranz) gerecht zu werden, führte zu urkomischen Dialogen und Situationen, die man zuerst in „Da Ali G Show“ bewundern konnte. Dort legte er drei Figuren an, die auch später die tragenden Säulen seines Hauptwerks sein sollten: Ali G, Borat und Brüno.
Während Borat und Brüno den Kinoausflug in einer ähnlichen Weise wie auch im Fernsehen unternehmen durften, nämlich als klug gelenkte Dokumentation menschlicher Reaktionen, stellte man Ali G in das komplett gescriptete Umfeld eines Spielfilms. Die totale Zerstörung des Interviewkonzepts war die Folge und diese ließ nur ein Häufchen Klamauk übrig, das sich krampfhaft an Ali Gs Akzent klammerte. (Die deutsche Synchronisation durch Mola Adebisi ist besonders ärgerlich, da hier den rassistischen Stereotypen, die Cohen eigentlich bloßstellen will, Vorschub geleistet wird.)
So kämpft auch „Der Diktator“ mit den Problemen von „Ali G Indahouse“, ihm kommt aber dabei zugute, dass man die Hauptfigur von Präsident Admiral General Aladeen (gespielt von Cohen) nicht zuvor in einem anderen Umfeld erlebte, wenn man von den Promotiongags zum Kinorelease des Films absieht. Dadurch verliert der – wieder von Larry Charles inszenierte – Film viele der „Das hat er jetzt nicht gesagt/getan“-Momente, die „Borat“ und zu großen Teilen auch „Brüno“ so unwiderstehlich machten. Vielleicht wäre ein dritter Aufguss dieses Konzepts ebenfalls ärgerlich gewesen; ohne den Blick in die „reale“ Welt, verliert „Der Diktator“ aber spürbar an Schärfe.
In knapp 80 Minuten gelingt es Sacha Baron Cohen und seinem Team dennoch eine Vielzahl an wirklich komischen Momenten unterzubringen, die nur hin und wieder von schalem Fäkalhumor torpediert werden, den man auch in den müden Humorfilmchen Hollywoods wie „Hangover“ finden kann.
Ein besonderes Problem bei der Umsetzung des Films wird sicher die groteske Geisteskrankheit der meisten Alleinherrscher dieses Planeten gewesen sein, denn egal ob nun Kim Jong-Il (dem „Der Diktator“ gewidmet ist), Gaddafi oder ein anderer „wacky psycho“ aus dem Panoptikum der Diktaturen: Es ist schwer diese Ansichten der Welt, diese Marotten und Grausamkeiten auf die Spitze zu treiben. Doch selbst das gelingt Cohen und seinen Mitstreitern erstaunlich oft.
Um Ausgleich bemüht, werden hier aber nicht nur Spitzen gegen die reaktionären Krafte der Welt ausgeteilt, auch die gutbürgerliche Demokratie und linksprogressive Grüppchen müssen sich den ideologisch-verbohrten Anteilen ihrer Weltanschauung stellen. Dies natürlich immer zugespitzt formuliert und um die Pointe ringend: „Ah, America – built by the blacks and owned by the Chinese.“
Warum ausgerechnet Ben Kingsley für die hinterlistige Rolle des Beraters von Präsident Admiral General Aladeen verpflichtet wurde, kann ich mir nicht ausmalen. Er ist das einzige wirklich bekannte Gesicht (neben John C. Reilly und Starlet-Fleisch wie Anna Faris und Megan Fox) in den Reihen der Schauspieler, wahrscheinlich engagierte man ihn ausschließlich wegen seiner verschlagenen Ganovenvisage. Auch die übliche Lovestory (erschieß doch mal bitte jemand die übliche Lovestory!) ist am Start, dient aber nur als Grundlage, um ein paar äußerst geschmacklose Witzchen zu servieren. Nicht elegant gelöst – kann man aber so machen.
„Der Diktator“ ist weit vom Debakel des erstens Kinofilms „Ali G Indahouse“ von Sacha Baron Cohen entfernt, gibt aber die Stärken der „Ali G Show“ auf und ist nun noch mehr Unterhaltung als entlarvende TV-Show, als es „Borat“ oder „Brüno“ jemals sein konnten. „The police here are such fascists!“ – „Yeah right, and not in a good way.“

Trailer

--