Re: Der letzte Film, den ich gesehen habe (Vol. II)

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latho
No pretty face

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gypsy tail wind[…]

Warum ich ihn enttäuschend fand, ich kann es nicht so recht fassen. Ich fand jedenfalls Cotillard klasse, sie trägt den Film ganz alleine, ohne sie – doch das ist eine müssige Überlegung – wäre der Film nichts, ja ich würde so weit gehen und sagen: sie IST der Film.[…]

Aber ein schöner Torbogen ist immer noch ein schöner Torbogen, wenn der Grundstein der wichtigste ist… Ob der Film ohne Cotillard funktioniert hätte, weiß ich nicht. Sie kann diese „normalen“ Gestalten gut spielen, ohne dabei zu sehr wie ein Filmstar zu wirken, trotzdem aber Präsenz zu haben. Aber inszenieren muss man sie auch können, es gibt ja auch Scheißfilme, in denen sie mitspielt.

gypsy tail wind
Also: der Plot, diese Erpressung – was ist das denn? Soll das den Film zum Märchen machen? Geht es etwa gar nicht um die vordergründige Geschichte (ein Feeldgood-Movie mit Suizidversuch? okay, originell genug) sondern um sonst was? Die Rückgewinnung eines Lebens, der Liebe? Letzteres (also der unmittelbare Schluss des Filmes, wobei das Thema ja davor schon ein, zweimal angeschnitten und angesprochen wird) wirkte etwas aufgesetzt, der überverständige Ehemann mit seiner ans Übermenschliche grenzenden Geduld nervte mich mit der Zeit auch ein wenig … dann die Kamera – einerseits die fast konstant durchgehaltene Enge, das Draufhalten auf die Figuren – toll! Andererseits schien man sich richtig Mühe gegeben zu haben, auch wirklich nur die hässlichsten Ecken der Käffer, in denen man drehte, zu zeigen … die Weite, das ist ein Fussballplatz.
[…]

Der Plot hat wohl einen wahren Hintergrund – irgendwelche Arschlöcher haben das so wohl in belgischen Betrieben durchgezogen. Und was ist gegen den Plot zu sagen? Cotillards Figur ist depressiv, eigentlich überhaupt nicht in der Lage zu arbeiten, sollte eigentlich in Behandlung, muss aber um ihren Job kämpfen – interessante Ausgangslage. Der Versuch Hilfe und Solidarität zu bekommen, was nicht unbedingt funktioniert (weil sie ja trotz der Zusagen nicht weiß, ob für sie gestimmt werden wird) – das ist für mich die Story von High Noon, aber ohne Pathos. Und ohne die Überdeutlichkeit – es gibt ja Leute, die Sandra/Cotillard unterstützen – und Rongione spielt die Grace-Kelly-Rolle.
Da hätte man ein Diven-Drama draus machen können – aber die Dardennes (und Cotillard) haben dem widerstanden. Ob die Regisseure das in ihren anderen Filmen, die ich nicht kenne, auch so gut hinbekommen, weiß ich nicht.
Klar, der Film hätte langweilig sein können, ist aber in der Konzentration auf die eine Figur sehr gut ausgewogen.

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If you talk bad about country music, it's like saying bad things about my momma. Them's fightin' words.