Re: Der letzte Film, den ich gesehen habe (Vol. II)

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latho
No pretty face

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Napoleon DynamiteUm das mal noch etwas konkreter am Plot und Stil von „Blue Jasmine“ festzumachen: Blanchetts Figur ist keine plastisch konzipierte (oder gerne auch, weil Drehbücher gar nicht so wichtig sein müssen, einfach nur: gespielte) Person, sondern eben lediglich ein Plotprinzip – reiche Ex-Gattin fällt auf die Nase und will wieder reich heiraten. Und so wird diese Jasmine schauspielerisch ja von der ersten bis zur letzten Minute auch gegeben, mit einem unveränderlich steinkalten, illusorischen Blick. Altes Theaterdramen-Prinzip, als müsste man heute noch jemandem Arthur Miller oder Tennesse Williams in verwässerter Form präsentieren. Du nennst das, zugegeben mit einem gewissen Recht, unbarmherzig, ich bezeichne es eher als unehrlich. Weil es diese stereotypischen Schemen, die früher für etwas standen, was man erstmal mit der Kunst aus vollem Recht angreifen musste, heute in Filmen, im Theater, in der Literatur einfach nicht mehr gibt und Allen lediglich ein bewährtes Prinzip für Preisnominierungen und Kritikerlob aufwärmt. Und weil er es, meiner Meinung nach, teilweise auch etwas arg kaltherzig macht: Wer möchte denn schon die Beziehung von Jasmines Schwester scheitern sehen, indem sich Louis C.K. durch einen blöden Plottwist als bereits verheiratet herausstellt? Was Kunstfiguren betrifft, bin ich immer der Meinung, dass man ihnen in punkto Mitgefühl auch etwas schuldig ist, sie nicht bloss Mittel sein dürfen, um den Zuschauer zu überraschen. Vermutlich mag ich auch deswegen so sehr Filme, die keine allzu großen Dramen erzählen.

Wir sind gar nicht so weit auseinander: * * * 1/2 würde ich dem Film geben. Ja, die Rückblenden nerven, es gibt kaum sympathische Figuren und der narrative Bogen ist nicht besonders gespannt. Aber trotzdem mochte ich den Film: Allen hat in meinen Augen einen fast abstrakten Hintergrund eingebaut: das oder der in Allen-Filmen eher selten auftauchende Böse ist hier das easy money der Banker. Baldwin verschwindet hinter seiner Aalglätte und bietet gar keine Konturen mehr, selbst wenn er seiner Frau Seitensprünge beichtet. Und Blanchetts Figur lässt sich ganz einfach kaufen, ist eine Mitläuferin. Und um die Bewusstwerdung und das Bewältigen ihrer Schuld geht es in Blanchetts Figur. Und Allen hat das hart und kühl in Szene gesetzt – ungewohnt bei ihm, aber nicht das erste Mal. Das fand ich das Spannende bei Blue Jasmine: hat Allen überhaupt Mitleid mit der Figur, gibt es da etwas zu retten, kann man da noch etwas Menschliches sehen? Ich glaube eher nicht, auch nicht bei dem (vielleicht) offenen Ende.
Dass Blanchett da in die Hände der Oscar-Wähler spielt, die in der Figur die Tragödie sehen, die Allen nicht drehte, ist nicht Blanchetts und auch nicht Allens Schuld. McConaughey ist ja auch nicht vorzuwerfen, dass er einen AIDS-Kranken spielt.

Sonic JuiceOh, oh, eine unerwartete Achse des Bösen firmiert sich.

Höchste Zeit, die negative Thread-Energie auf den Perückenwitzfilm „American Hustle“ umzulenken.

Kommt nur her! Ich fand den Film toll! Endlich mal ein 70er-Jahre-Schauspieler-Film, wie ihn Scorcese schon seit längerem nicht mehr hinbekommt.

Sonic JuiceBitte meinen Post ignorieren und wieder der seriösen Filmkritik zuwenden, die diesen Thread groß gemacht hat.

Das dürfte hier gewesen sein.

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If you talk bad about country music, it's like saying bad things about my momma. Them's fightin' words.