Startseite › Foren › Kulturgut › Für Cineasten: die Filme-Diskussion › Der letzte Film, den ich gesehen habe (Vol. II) › Re: Der letzte Film, den ich gesehen habe (Vol. II)
weilsteinAber gilt das nicht schon für den Herr der Ringe? Das Buch hätte ich Dir ebenfalls knackig im Paperback-Format nacherzählen können – dann hätten sich eben ein paar Grashalme weniger im Wind geneigt.
Der Unterschied liegt schon darin, dass die Buchvorlage im ersten Fall tatsächlich auf drei Teile ausgelegt war, der Hobbit aber ein sehr knappes, kompaktes Leseerlebnis ist. Entsprechend muss eben künstlich gestreckt werden und gar Hanebüchenes hinzugedichtet werden: What the f*** macht Legolas im Hobbit? Und zwar nicht nur als kleiner selbstreferenzieller, dann womöglich sogar charmanter Cameo-Auftritt, sondern gefühlt in jeder zweiten Szene und ohne für die Story irgendwie von Belang zu sein. Das ist doch die Definition von „self-indulgence“.
weilsteinHmm, ich bin nicht sicher, was Du mit Seele meinst, oder besser, wo Du diese in den anderen, nicht weniger aufgeblasenen Filmen findest.
Dann sage ich es so: Das Schicksal der Protagonisten hat mich nicht interessiert, weil sie mich überhaupt nicht erreicht haben. Das hat der erste Teil in meinen Augen doch eine Ecke besser gemacht. Im aktuellen Teil ist z.B. keinerlei Spannung in der Figurenkonstellation innerhalb der Truppe. Man denke nur an den Prozess, den Oakenshield im ersten Teil durchmacht, um Bilbo zu respektieren. In diesem Teil ist er auf einmal wieder irgendein Hobbit, an dessen Namen Oakenshield sogar erinnert werden muss. Die Geschichte des Königs wird sowieso überhaupt nicht mehr aufgegriffen, so schaut dieser einfach nur drei Stunden verbissen drein – eins der etlichen Probleme, die sich Jackson selbst macht, indem er die Geschichte auf drei Filme auswalzt. Ähnlich Bilbo: Ich hatte Teil 1 gerade wieder vor zehn Tagen geschaut, musste mich im zweiten Teil aber trotzdem erstmal wieder krampfhaft dran erinnern, wie sein Background und die Beziehung zu Gandalf aussah, um die Figur in diesem Film halbwegs interessant zu finden. Oder das Liebesdreieck mit Legolas, Tauriel und dem Zwerg: Potetiell interessant, wird hier aber nur dosiert einstreut, um vermutlich im dritten Teil in einem Jahr weitererzählt zu werden. Unnötig und ärgerlich.
weilsteinIch bin auch kein Fan, und ohne Kinder hätte ich mir wahrscheinlich keinen einzigen Teil angesehen. Den Herr der Ringe habe ich vor 15 Jahren mal angefangen zu lesen und nach 100 Seiten zur Seite gelegt (was ich eigentlich so gut wie nie mache). Wie gesagt, das Buch hätte man auch ohne große Verluste auf die Hälfte reduzieren können. „Hobbit-Gemelke“? Du meinst, gemessen an der vergleichsweise knappen Buchvorlage, hätte der Film ähnlich knapp ausfallen müssen? Nein, denke ich nicht, Film ist ja noch ein wenig mehr, als nacherzählte Buchvorlage, und ich empfand das in diesem Fall nicht als unnötig aufgebläht. Doch, das kann es erklären. Ich fand alle LOTR und jetzt die Hobbit Verfilmungen in Ordnung, ansehen muß ich sie mir jedoch nicht mehr. Ich erkenne auch keine größere Dichte, Raffinesse oder Seele in den Herr der Ringe Verfilmungen. Einzig Elijah Woods immergleiche Jammerlappen-Gesicht, konnte ich eben nicht ertragen. Relativ dosiert? Ich hatte das Gefühl, daß es zum Ende fast nur noch 10-Minuten Einstellungen vom leidenden Frodo zu sehen gab. Mag sein, daß das mehr gefühlt war.
Ja, ist wohl stark subjektiv, meine Empfindung ging phasenweise eher in die Richtung, dass er vor dem Finale des letzten Teils kaum noch vorkam und der König fast zur Hauptfigur wurde. Zur fehlenden Raffinesse zitiere ich mal aus der ZEIT-Besprechung:
Im Herrn der Ringe ließ sich damals durchaus eine heidnische Passionsgeschichte erkennen. Eine großangelegte Erzählung über Gier, Versuchung und den endzeitlichen Kampf zwischen Gut und Böse. Dagegen ist nun die dramaturgisch gesehen serielle Reihung von Wiesendurchquerungen, erklommenen Bergen, gurgelnden Orks, etwas kleinwüchsigem Klamauk kaum der Rede wert.
(Link)
weilsteinIch kann ja verstehen, daß Du diesen Teil als etwas schwächer empfunden hast, alleine der krasse Unterschied in Deinen Bewertungen, leuchtet mir eben nicht so ganz ein.
Naja, es liegt ein Stern dazwischen. Die Gründe für meine tendenzielle Sympathie für den ersten Teil dem zweiten gegenüber liegen in den oben genannten Aspekten des Spannungsbogens: Der erste Teil beleuchtet noch ein wenig den Background der Figuren, da steckt mehr Sympathisches drin. Im zweiten Teil wurde mir dann bewusst, dass man noch kräftig künstlich verlängern musste, um die Turm-Episode zu einem Jackson-Schinken auszuformen.
Und, übrigens: Ich habe mich wirklich auf den Film gefreut, ich mag Freeman, Cumberbatch und Evangeline Lilly. An der Einstellung lag’s nicht.
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