Startseite › Foren › Kulturgut › Für Cineasten: die Filme-Diskussion › Der letzte Film, den ich gesehen habe (Vol. II) › Re: Der letzte Film, den ich gesehen habe (Vol. II)
KrautathausEigentlich schon interessant, daß gerade technisch aufwendigen Filmen schnell der Vorwurf der dürftigen Story und der einfach gezeichneten Figuren gemacht wird. Siehe auch Spielbergs „War of the worlds“.
Warum kommt solch ein Vorwurf nicht bei einem Film wie „Wendy & Lucy“, dessen Handlung auch einfach gestrickt ist und der Hintergrund der Figuren nur sehr spärlich beleuchtet wird? Klar, der hat ja keine 90 Mios gekostet.Und doch haben „Gravity“ und „Wendy & Lucy“ eines gemein: sie führen mich beide mit der Protagonistin an der Hand durch ihre (in fast Realzeit erzählte) Geschichte und deren Probleme/Katastrophen, die es in beiden Filmen zu bewältigen gibt.
Beide Darsteller machen ihre Sache richtig gut, ich fühle mit beiden mit und es gibt eben keine Storyverästelungen die mich von desem Trip nur ablenken würden.„Gravity“ würde mit einer komplexeren Geschichte nicht mehr denselben Effekt haben. Sie würde mich ablenken. Zumal mir auch nicht klar ist, warum eine aufwendigere Erzählung oder „existentielle Fragen“ einen besseren Film ausmachen sollen.
Ich verstehe Deine Filmbeispiele leider nicht. „Krieg der Welten“ ist gelungenes Mainstream-Kino. Auch wenn die Geschichte nicht unfallfrei zu Ende erzählt wird, gelingt es Spielberg sehr gut, Bezug zu den Protagonisten aufzubauen (Familien-Vater kämpft im Untergangsszenario um das Überleben seiner Angehörigen). Menschliches Verhalten in einer Katastrophensituation wird in allen erdenklichen Schattierungen realitätsnah wiedergegeben: Angst, Panik, Trauer, Mut, Wut, Egoismus, etc. pp. Bullock weint noch nicht mal. Meist wirkt es, als sei ihr ein Überleben egal, bis hin zu.. (siehe meinen Spoiler) Auch Clooney hat nur 1!! Handlungsmuster: Lustig, cool, charmant. Er durchlebt keine Phase der Panik, hat bis hin zum großzügigen Selbst-Tod keinen einzigen Zweifel an irgendwas.
„Wendy & Lucy“ zeigt mit jeder noch so „billigen“ Kameraeinstellung ein erschreckend realistisches Bild amerikanischen Kleinstadtlebens und des amerikanischen Sozialsystems um die Jahrtausendwende. Mehr Gesellschaftskritik ist kaum möglich. Ausschweifende Hintergrundinfos zu Wendys Biografie gibt es nicht, aber die sind auch nicht notwendig. Ihr Schicksal wird deutlich aufgezeigt, durch bspw. ihre Liebe und Empathie zu ihrem Hund Lucy ein Charakterbild erstellt.
Wenn man schon „Gravity“ vergleichen möchte, sollte man meiner Meinung nach handlungsähnlicheres suchen. Mir fallen neben typischen anderen Space-Filmen bspw. „Open Water“ oder „127 Hours“ ein, auch wenn ich über deren Qualität nichts aussagen möchte. Hier werden menschliche Verhaltensweisen in Notsituationen dargestellt. Die Protagonisten durchleben alle erdenklichen Gefühlsebenen, versuchen nicht nach 2 Stunden Selbstmord zu begehen und beißen sich zur Not den Arm ab, UM ZU LEBEN.
Ich kann nachvollziehen, dass man Gravity auch als unterhaltsame Achterbahnfahrt verstehen kann. Mir gelang das aufgrund (in meiner Sicht) irrationalem Handelns nicht und ich hatte anderes erwartet.
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