Re: Der letzte Film, den ich gesehen habe (Vol. II)

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napoleon-dynamite
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lathoDer Film ist bei weitem nicht Schraders bester, aber in seiner Direktheit hat er mir gut gefallen.

Ja, das sehe ich auch so. Für ein solches Urteil braucht man dann allerdings auch die nötige Kenntnis der Filme. Der arme Freddy aus der Süddeutschen bringt Schrader nur in Verbindung mit „Taxi Driver“ und schlußfolgert höhnisch, dass er an den alten Erfolg (der kein unmittelbarer für Schrader war) nicht anknüpfen könne. Selbst nach reinen Business-Aspekten bewertet war Schrader aber nie erfolglos oder weg: Von Bruckheimer-Produktionen hin zum Zusammenschluß mit privaten Produktionsfirmen dreht er seit 35 Jahren konstant und selbstbestimmt unter den jeweils erforderlichen Bedingungen seine Filme, ohne bei Filmfördergremien buckeln zu müssen (wo ein Film wie „Adam Resurrected“ niemals ohne Grundsatzdebatten durchkommen könnte). „The Canyons“ hat ein nicht existentes Budget, aber das war eben auch die erste Spielregel vor Drehbeginn.

Im Interview mit Tribeca Film:

I said to Bret, let’s just make this movie ourselves – you write it, I’ll direct it, we’ll pay for it and we won’t have to ask anybody’s permission. That’s how it started.
[…]
Well, if you’re made enough films you really know what you need money for and what you don’t need money for. There’s virtually nothing on the cutting-room floor for this film – you shoot straight to the bone. It ends up being kind of like a film co-op, since you’re paying everybody the same rate, the actors are doing their own hair and make-up, no trailers. It really becomes a communal project. Everything in the film was designed to be as efficient as possible, with respect to the production. You know, I didn’t think the film was going to have as much style as it does because I didn’t think I had the money – but then we got that house, Christian and Tara’s house, and we shot the first eight days there. There wasn’t a bad angle in that house. After the first day, I said, I’m shooting Gigolo again, I can feel it, it’s the same house!

Dass Lindsay an einem solchen Projekt beteiligt war, halte ich für ein seltenes und wertvolles Geschenk, das man nicht zu gering einschätzen sollte. Die Schwäche des Filmes liegt eher in Ellis‘ mittlerweile etwas angestaubtem Figuren-Repertoire – andererseits sind aber Filme auch keine TV-Serien, müssen sich also auch nicht primär auf Charakterentwicklung verlassen. Die einzelnen Personen in „The Canyons“ funktionieren als (mal stärkere, mal schwächere) Teile einer Welt und die kann Ellis immer noch plastisch erzeugen, finde ich. Nicht phänomenal, nicht katastrophal, sondern in einer der nicht wenigen Stufen dazwischen.

lathoDie Kritik ist vor allem saumäßig geschrieben

Was aber im Feuilleton längst Standard ist, seitdem die Artikel nach idiotensicheren Taglines strukturiert werden. Wenn ein Text primär klare und unmittelbare Informationen vermitteln soll, dann ergibt eine solche kleinteilige Strukturierung natürlich Sinn und ist hilfreich für einen schnellen Überblick. Kritik besteht aber aus Meinung, Zusammenhängen, Erklärung und einem genauen Blick. Da kann ich auch schon mal einen längeren Abschnitt verarbeiten, ohne permanent mit infantilen Überschriften wie „Schrader war doch mal wer“ oder „Irgendwann kommt der Gummihandschuh“ Zwischenergebnisse präsentiert zu bekommen. Entsprechend flach und kurzsichtig wird dann in den Texten auch argumentiert. Kindische Scheiße.

Sonic JuiceDavon abgesehen fasst das hier meinen Eindruck jedenfalls ganz gut zusammen:

Na ja, na ja. Das ist seit jeher Ellis‘ Methode und sie war meiner Meinung nach auch früher nicht prägnanter oder vermeintlich bedeutungsvoller – die SZ-Synopsis könnte genausogut auch der stinkstiefelige Klappentext zu „Less Than Zero“ oder „The Rules Of Attraction“ sein. Was man Ellis sicherlich vorwerfen kann, ist, dass „The Canyons“ nur noch altbekanntes variiert und sein Inszenierungsstil mittlerweile schon längst durch das Film- und Literaturpublikum verdaut wurde. Das erste ist aber Ellis‘ Recht und das zweite vielleicht nicht unbedingt sein Problem.

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A Kiss in the Dreamhouse