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Lord of Illusions
(Regie: Clive Barker – USA, 1995)
Der Fall sah nach Routine aus, doch plötzlich befindet sich Detective Harry D’Amour in einer Situation, die grausamer ist als der schlimmste Alptraum. In einer Welt, in der die Grenzen zwischen Magie und Illusion verschwinden, entdeckt Harry ein fürchterliches Geheimnis – eine Satanssekte will ihren ermordeten Anführer zum Leben erwecken…
In meinem Bücherregal stehen einige Bände, die von Clive Barker geschrieben wurden, die meine liebste Geschichtensammlung sind: Die Bücher des Blutes. Immer wieder bedienen sich Filmemacher in diesem Fundus und die Ergebnisse sind meistens mau. Man erinnere sich nur an die furchtbaren filmischen Umsetzungen von „Rawhead Rex“ oder „Jack und das Geyatter“.
Clive Barker selbst hat mit „Hellraiser“ und „Cabal – Nightbreed“ bewiesen, dass er – ganz im Gegensatz zu Stephen King („Rhea M“, anyone?) – in der Lage ist, sein Garn auf der Leinwand weiterzuspinnen. Gute Voraussetzungen für „Lord of Illusions“ also, den Barker als Film entwarf, ohne den Umweg zu gehen, eine alte Kurzgeschichte aufzumöbeln.
Er verbindet einen hard boiled detective aus dem Film Noir mit einer Gruppe Illusionisten aus Las Vegas und dem Schicksal einer okkulten Sekte, die ihren vor Jahren verstorbenen Anführer auferstehen lassen will. Obendrauf gibt es die bei Barker oft im Raum stehende Vernichtung des Fleischs, möglichst durch Zerreißen oder Aufspießen.
Neben der KNB EFX Group waren noch einige Leute mehr an der Entstehung der blutigen Effekte beteiligt. Man setzte auf einen Mix aus handgemachtem Splatter und einiger durch Computer generierte Effekte, die in den letzten zwanzig Jahren schlecht gealtert sind – wie eigentlich alles, was tricktechnisch aus dem Computer kommt. (Wie ein Film wie „Avatar“ wohl in zwanzig Jahren wirken wird?)
Auch die Charaktere sind nicht unbedingt der Rede wert, Barker bedient sich bei vielen Klischees und bleibt bei der Zeichnung seiner Protagonisten an der Oberfläche. Harry D’Amour bringt immer wieder ein paar flapsige Sprüche und gibt auch sonst den harten Hund und Swann, der wie eine Mischung aus Nic Cage und Nick Cave wirkt, leidet genügend psychotisch an seiner Vergangenheit. Überzeugend ist das nicht.
Was mich jedoch am meisten störte, war der TV- oder Hochglanz-Softporno-Look der 90er, der mich vermuten ließ, dass „Lord of Illusions“ nicht auf Film gedreht wurde. Die International Movie Database behauptet jedoch das Gegenteil. Nun gut, es ist schade um die Ausstattung des Films, vor allem in den Szenen im Sektenhauptquartier, weil die detailreiche Gestaltung durch das billige Abfilmen untergeht und einen großen Teil ihrer Wirkung einbüßt.
Warum ich „Lord of Illusions“ dennoch für einen guten Film halte? Er ist unterhaltsam und spannend, trotz der Story, die keine Neuerungen bietet. Er ist düster und grausam, zuweilen nihilistisch, am Ende siegt jedoch die Aussicht auf das Gute. Der Soundtrack untermalt passend die Stationen der Wiederauferstehung. Selbst der billige Look kann einige Sets nicht ihrer Schaurigkeit berauben. Die Sektenmitglieder nehmen ein besonders schreckliches Ende, das mich in der Gestaltung an das Computerspiel „Silent Hill“ erinnerte, das erst Jahre später auf den Markt kam.
„Lord of Illusions“ ist ein wenig inspiriertes Amalgam aus Film Noir und okkultem Splatter-Horror, das über die Lauflänge von zwei Stunden gut unterhält und auch die ein oder andere einprägsame Szene bereithält. „Flesh is a trap. And magic sets us free.“
Trailer: http://www.youtube.com/watch?v=lN1RToUAOQg
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