Re: Der letzte Film, den ich gesehen habe (Vol. II)

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tina-toledo
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Ein bisschen unfertiger Drivel aus dem Zug zu „The Tree Of Life“:

Drei Nächte drüber geschlafen und immer noch nicht sicher, wie ich zum Film stehe.
Wenn man möchte, ist ein Leichtes, in „The Tree Of Life“ nur hyperambitioniertes großes Blendwerk zu entdecken, ebenso leicht kann man sich willenlos dem Bildrausch und dem fragmentarischen Assoziationsgewitter hingeben. Der Film will einen bestimmten traumartigen Gemütszustand aus einem herauskitzeln, auf den man vielleicht auch etwas gewillt sein muss, sich einzulassen. Ich konnte das streckenweise, und streckenweise eher nicht und habe im Kino verschiedene Phasen von „och nöö“, über „nett gedacht“ bis – insgesamt überwiegend – „fantastisch!“ durchlebt.
Zunächst ist da das große sakrale Brimborium, welches für Atheisten und Agnostiker vielleicht nur dann halbwegs erträglich wird, wenn man die Chöre, Psalme und geflüssterten Hilferufe als eine Art feierliches kosmisches Hintergrundrauschen auffasst und nicht als religiöses Bekenntnis. Was einem dadurch leichter gemacht wird, dass der Film überwiegend Fragen stellt und – „thank God“! ;-) – wenig Antworten geben will. In meinen Augen wird Religion letztendlich als ein, aber nicht unbedingt der Weg, der großen Tragödie namens Leben zu begegnen, erzählt. Und dann wäre da ja noch das große Evolutionskapitel, sowie die erklärten Agnostiker Brad Pitt und Sean Penn in der Filmbesetzung.
Stichwort Besetzung: Die Kinder spielen die Hollywood-Größen tatsächlich beinahe an die Wand, was aber insofern sinnig erscheint, als der Film für mich insgesamt einen kindlich-intuitiven und staunenden Blick auf die Welt hat und die scheinbar abgeklärte, berechnende alltägliche Erwachsenenwelt außen vor bzw. distanziert bleibt. Z.B. manifestiert in den Abenteuern, die die Brüder anziehen oder die Bilder von den Weiten des Himmels, zu denen sie abends einschlafen. Brad Pitts Figur wird daher auch erst spät im Film zugänglicher, als sie ihr Scheitern am Bändigen des Lebens eingesteht und sich wieder einreiht in die verunsicherte-Gesichter-Schau, mit dem einzigen bescheidenen Wunsch, von seinem Sohn geliebt zu werden.
Man könnte sicher über die Dramaturgie des Films streiten, über die Intention der religiösen/spirituellen Elemente, nicht aber über die Bilder, die Malick und Lebezki erdacht haben, sie sind sehnsuchtsvoll und metaphorisch, natürlich, schwebend, tranceartig, oft assoziativ, manchmal abstrakt, zu jeder Zeit umwerfend schön. Was macht das jetzt in der Summe? Öhm, ich melde mich an gleicher Stelle wieder, wenn ich den Film nochmal gesehen habe…

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Sir, I'm going to have to ask you to exit the donut!