Re: Observers Favoriten

#4441831  | PERMALINK

observer

Registriert seit: 27.03.2003

Beiträge: 6,709

The Cure – The Head On The Door
(Fiction Records, 1985)

In der DDR hatte man es als LP-Käufer nicht leicht und bis heute verstehe ich nicht, wie ich es mir als Lehrling in regelmäßigen Abständen leisten konnte, nach Prag zu fahren, um auf der dortigen Plattenbörse wenigstens einige der gewünschten Scheiben zu kaufen. Auf der Rückfahrt wurden dann stundenlang die wertvollen Schätze von allen Seiten begutachtet und jedes Detail genauestens inspiziert und kommentiert. Zäh dahinfließende Stunden, bis man sich endlich zu Hause auch der Musik widmen konnte.

„The head on the door“ war meine erste Cure-Platte und ich habe sie auf einem dieser Wochenendausflüge gekauft, ohne zu ahnen, dass sich daraus eine bis heute anhaltende Verbundenheit entwickeln würde. Natürlich kannte ich bereits einige Titel, war mir aber weitem nicht des Facettenreichtums dieser Band bewußt. Und wer konnte schon ahnen, dass sie auch zwanzig Jahre später noch erfolgreich existieren würden, denn eigentlich schienen sie vor Erscheinen von „The Head on the Door“ bereits abgeschrieben zu sein. Nach der dunklen Trilogie, die im faszinierend-klaustrophobischen Alptraum von „Pornography“ mündete, wirkte die Band richtungslos. Die Singles, die zwischen 82 und 85 veröffentlicht wurden, sowie das nach allen Richtungen auseinander fallende Album „The Top“ streben in Richtung Pop, bringen es aber bis auf Ausnahme von „The Love Cats“ nirgendwo auf den Punkt. Doch dann kam “The head on the door“, eine Pop-Platte wie aus einem Guß, auf dem jedes Stück seine eigene musikalische Idee in sich trägt. Spätestens hier verabschieden sie sich erfolgreich davon, als pure Gitarrenband wahrgenommen zu werden. Dafür ist der Einsatz von Keyboards viel zu auffallend und soundbestimmend geworden. Die Gitarren werden dem Gesamtsound untergeordnet oder in für die Band ungewohnter Weise eingesetzt (man höre da z.B. den Flamenco-Stil bei „The Blood“!). Nur bei „Push“ treiben sie noch lärmend nach vorn. Und so richtig düster ist auf „The Head on the door“ eigentlich auch kein Stück mehr, vielmehr wird die für spätere Cure-Alben typische Spannung aus manchmal fast tanzbarem Pop und melancholischer Grundatmosphäre etabliert, mit „Sinking“ erschaffen sie sogar die Blaupause für das vier Jahre später erscheinende Meisterwerk „Disintegration“.

Es fällt mir schwer zu sagen, welches mein Lieblingsalbum der Cure ist. Mal „Pornography“, mal „Kiss me, kiss me, kiss me“ oder „Disintegration“, aber „The Head on the door“ war die Initialzündung und gehört bei mir mit Sicherheit zu den 10 meistgehörten Platten. Und immer noch das damals aus Prag mitgebrachte Exemplar.

--

Wake up! It`s t-shirt weather.