Re: David Gilmour – Live in Hamburg

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NRZ vom 13.03.2006

David bleibt ein Goliath

ROCK-KONZERT / David Gilmour, Stimme und Gitarre von Pink Floyd, ist reif für die Insel und immer noch zum Knutschen. Dortmund feierte den Start seiner Welttournee.

DORTMUND. Ein guter Song ist wie ein fliegender Teppich. Er bringt den Zuhörer zurück in eine Zeit, in die es sonst keine Wiederkehr gibt. Etwa in die 70er Jahre, als alles viel länger war; die Haare, die Diskussionen, die Gitarren-Soli. Und die Knutschausdauerübungen bei den sich damals größerer Beliebtheit erfreuenden Kellerpartys.
Die Erkenntnis, dass zwischen der Länge von Gitarren-Soli und Knutschausdauerübungen ein willkommener Zusammenhang besteht, verdanken nicht wenige aus der Babyboomer-Generation einem blasiert dreinblickenden Briten, der mit seinem beispiellos gedehnten Katzenjammersound eben dafür Sorge trug: David Gilmour.
Wenn der Sänger und Gitarrist von Pink Floyd mit seiner Fender Stratocaster und einer Batterie von Effektgeräten nebst seinem kreativen Widerpart Roger Waters zu Werke ging, starteten elegisch-epische Hör-Reisen, die nicht enden wollten; nicht mal an der dunklen Seite des Mondes. Gelegentlich sehr verkopft und überspannt. Aber eben ideal – fürs Knutschen. Später, als die Band mit turmhohen Helium-Schweinen und dicken Gummi-Muttis, die die Zuschauer mit Laseraugen löcherten, das Patent auf zermürbend überflüssigen Bombast-Stadion-Rock erwarb, hielt man es eher mit den Spöttern. Jenen, die das größte Verdienst von Pink Floyd darin sahen, mit ihrem artifiziellen Kitsch Punk-Gruppen wie die Sex Pistols erst auf den Plan gerufen zu haben.
Nun, die überwältigende Mehrheit der gut 1250 Zuhörer, die beseelt das Konzerthaus zu Dortmund verließen, hielte das selbstverständlich für eine ziemlich üble Nachrede. Für sie geriet der Welt-Tournee-Auftakt (in Dortmund!) des in Würde ergrauten 60-jährigen Multi-Millionärs zur lange herbeigesehnten Offenbarung. Was mutmaßlich weniger an den milde entschlossenen Liedern auf Gilmours neuem Solo-Werk „On an Island“ gelegen haben dürfte – es handelt sich hier um ein eher belangloses Schall-Bad, das weder auf Sylt stört noch beim Kartoffelschälen. Sondern eben an den fliegenden Teppichen. Und kein Vertun: „Shine On You Crazy Diamond“, „Echoes“ und „High Hopes“, um nur einige der in bezwingend sauberer Klang-Qualität dargebotenen Pink Floyd-Hymnen mit zeitlosem Sonderstatus zu nennen, haben dank Gilmour wenig von ihrer Gänsehaut produzierenden Suggestionskraft eingebüßt. Zumal mit Rick Wright ein anderer Ur-Floyd live fürs amtliche Keyboardgewaber sorgte. Für einen Moment ertappte man sich am Ende bei einem spinnerten Wunsch: „Wish you were here“, alte Kellerparty-Zeit. (NRZ)

Nicht nur die Überschrift gefällt…

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