Re: David Gilmour – Live in Hamburg

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Der Ritter in Unterhose
Pink Floyd-Denkmal David Gilmour im CCH

MAIK KOLTERMANN

Wie sehr sie ihn lieben, zeigt sich schon in den Details. Zum Beispiel an dem Mitte 30-Jährigen in der siebten Reihe, der schon nach zehn Minuten unruhig auf seinem Stuhl hin und her rutscht, bei jedem gelungenen Solo manisch klatschend
aufspringt und vorwurfsvoll in den Zuschauerraum blickt, weil man dort nicht euphorisch genug reagiert. David Gilmour, Gitarrist und Sänger der seit 1994 auf Eis gelegten Prog-Rock-Titanen Pink Floyd, spielte im ausverkauften CCH 1 – ein Konzert wie eine heilige Messe.

Was nicht an der ersten Hälfte des Abends lag. „On An Island“ heißt das aktuelle Album. Darauf: zehn Songs eines Mannes, der schon lange aus dem Gröbsten raus ist. Emotional gesehen. Gilmour, mit dem abgeklärten Auftreten eines gut erzogenen älteren Herrn, steht im schwarzen T-Shirt auf der Bühne, inmitten
von langjährigen Freunden. Floyd-Keyboarder Rick Wright ist da, Guy Pratt, der schon bei den letzten Tourneen der Psychedelic-Legenden den Bass spielte, schwingt die Hüften im Takt, Phil Manzanera (Roxy Music) verlegt dazu den breiten Rhythmus-Gitarren-Teppich.

Es gibt zunächst: Plätschermusik auf höchstem Niveau. Im Publikum kuschelt man sich in die Sitze und wartet auf das nächste Solo des Mannes, der der E-Gitarre Dinge zu entlocken vermag, die Normalsterblichen die Raumfahrt ermöglichen. „Wish You Were Here„, ruft jemand. Gilmour wirkt kurz angefressen
und erwidert: „Well, we are„. Das Publikum stimmt ein Geburtstagsständchen für den unlängst 60 Gewordenen an. Danach schickt Gilmour es mit einem Versprechen in die Pause: „Gleich gibt es ein wenig älteres Zeugs.“

Britisches Understatement. Die Band kommt mit „Shine On You Crazy Diamond“ zurück. Und der Abend wird zum musikalischen Gottesdienst. Gilmour singt den im Original so gewaltigen Refrain allein, zu dezenter Gitarrenbegleitung. Es ist, als trete ein Ritter zum Turnier in Unterhose an und gewänne dennoch. Dann folgt ein „sehr alter Song“, „Wot’s Uh The Deal„, „Wearing The Inside Out„, „High Hopes“ – bevor schließlich der Moment kommt, der den Abend unvergesslich macht. Der erste Ton von „Echoes“, dieses 20-minütigen musikalischen Trips, erklingt, die sensationell effektreiche Lichtanlage – konzipiert vom Floyd-Techniker – tut ihr Übriges, und die Väter im Publikum stoßen mit Tränen in den Augen ihre Söhne an: „Hör hin, sieh hin! So war das damals, als dein Vater zum ersten Mal bei einer Platte geweint hat.

Quelle: Hamburger MOPO vom 13.03.2006 / SEITE 19

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Wenn ich meinen Hund beleidigen will nenne ich ihn Mensch. (AS) „Weißt du, was ich manchmal denke? Es müsste immer Musik da sein. Bei allem was du machst. Und wenn's so richtig Scheiße ist, dann ist wenigstens noch die Musik da. Und an der Stelle, wo es am allerschönsten ist, da müsste die Platte springen und du hörst immer nur diesen einen Moment.“