Re: Song des Tages Vol. II

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go1
Gang of One

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Carrot FlowerTropical Chancer * La Roux

Bitte sehr, ihr Musiker, werdet nur alle erwachsen, mäßigt euch, tragt Beige. Es steht mir sicher nicht zu, an musikalischen Reifungsprozessen herumzukritteln, aber für mich sind deren Ergebnisse oft eine große Enttäuschung. Popmusik ist für mich nicht dazu da, gemäßigt zu sein (moderat muss ich selbst den ganzen Tag sein), sie darf wild, bunt, überbordend, dramatisch und auch mal theatralisch sein. Elly Jackson klingt für mich auf „Trouble in Paradise“ nicht nur monströs maßvoll, sie hat genau das aufgegeben, was ihre Musik für mich so fantastisch machte: das Hysterische, Überkandidelte, Rotzige, das, was mich dazu brachte, „Tigerlily“ so laut zu hören, dass die Plomben vibrierten.

Sehr schön gesagt. :-) Schreib doch öfter was. Deinen Eindruck vom Album teile ich.

Carrot FlowerDass mein Song des Tages heute dennoch das wohltemperierte „Tropical Chancer“ ist, ist dann natürlich pubertär irrational, aber irgendwer muss es ja machen. Nah, mir gefällt hier der akzentuierte Gesang im Refrain einfach besonders gut, Elly schubst die Silben so nett vor sich her, fast wie in alten Zeiten.

Roseblood hat es treffend benannt: Get Lucky 2.0 (und über das gezwungene Wortspiel mit Tropic of Cancer kann man hinwegsehen). Wegen der langen Entstehungszeit von Trouble in Paradise könnte „Tropical Chancer“ sogar älter sein als „Get Lucky“. Interessanterweise hat auch Ms. Jackson mit Nile Rodgers zusammengearbeitet (wenn auch anscheinend nichts Verwertbares herausgekommen ist).
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SdT:
The Beatles – No Reply (1964)

Nicht ganz unbeeinflusst von gewissen Forumsdiskussionen habe ich die Tage wieder ein bisschen Beatles gehört. Dabei habe ich nicht nur gemerkt, dass Rubber Soul noch besser ist als ich es in (ohnehin schon guter) Erinnerung hatte, sondern auch mal wieder dieses Meisterstück vom (nicht so guten) Beatles For Sale-Album gehört. Da es jeder kennt, muss ich nicht viel sagen: Ich mag den schwungvollen Beat, mit dem die Strophen daherkommen (fast Bossa Nova), den wirkungsvollen Kontrast zum ausdrucksstarken, emotionalen „I saw the light / I nearly died“-Teil, Lennons Gesang, die elegante Schlichtheit seines Textes (er kriegt keine Antwort mehr von ihr; sie hat einen anderen) und die Art, wie Arrangement und Produktion im Mittelteil die Dringlichkeit seiner Liebesbekundung hörbar machen. Starker Song, super Aufnahme.

Beim Wiederhören alter Bekannter bestätigen sich manchmal die Urteile (Abbey Road bleibt ein Durcheinander mit drei, vier Goldstücken und ist nicht das Meisterwerk, das so viele darin sehen), aber manchmal muss man sich korrigieren. Demnächst will ich mir Sgt. Pepper’s wieder vornehmen, mit dem ich immer nur begrenzt was anfangen konnte (psychedelische Soundspielereien und eine ausgefeilte Produktion waren wichtiger als DER SONG und DER BEAT; Mummenschanz und Albernheit nahmen überhand). Nachdem ich aber hier vor kurzem das Verspielte gegenüber der „unmittelbaren Emotion“ hochgehalten habe, bin ich mir nicht mehr sicher, ob meine Urteile noch konsistent sind und muss sie mal prüfen.

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To Hell with Poverty