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Habe mir mal zwei Stunden lang diesen Thread komplett durchgelesen.
Auch wenn schon so gut wie alles gesagt scheint, möchte ich meine Gedanken ebenfalls gerne dazugesellen.
MikkoAngesichts der stetigen Zunahme legaler Downloads und sprunghaft gestiegener Gewinne der Firma Apple durch I-Pod Umsätze wird die Frage nach dem Wert von Musik immer dringlicher. Wie misst man den Wert eines nicht mehr als physischer Tonträger vorhandenen Tracks? Einer Aufnahme, die womöglich kostenlos zum Download angeboten wird auf der Homepage einer Nachwuchsband? Aber auch des Livemitschnitts vom letzten Neil Young Konzert, der via Internet bei Tauschbörsen und auf CD-Rs von Fans für Fans angeboten wird?[…]
Ich denke, die Frage nach dem Wert von Musik vor dem Hintergrund legaler Downloads sollte man noch ausweiten auf das „Phänomen“ der illegalen Downloads.
„Was mich nichts kostet, ist auch nichts wert“ war eine heißdiskutierte Aussage in diesem Strang. Volkswirtschaftlich gesehen ist diese These falsch, da sich ein Wert aus der Bereitschaft, einen bestimmten Preis zu zahlen ergibt und nicht aus der tatsächlichen Handlung (Amadeus hat es ja schon geschrieben, aber nach meinem Eindruck ist es hier etwas untergegangen bzw. nicht verstanden worden).
Warum möchte ich aber nun die illegalen Downloads mit ins Spiel bringen? Ich tue dies deshalb, da gerade hier die Bedeutung des Internets als Verbreitungsmedium besonders in den Vordergund tritt und welche Folgen dies wiederum hat. Die Funktion des Internets als Verbreitungsmedium muss ich glaube ich hier in einem Internetforum niemandem mehr erklären, interessant sind die Folgen. Dass die Wirtschaft nachsteuern muss und den Leuten im Nachhinein ein „Copy kills music“ einredet, zeigt, wie am Boden das wirtschaftsmoralische Verhalten der Konsumenten ist. Allerdings hat die Wirtschaft diese fehlende Moral auch selbst zu verantworten, „Geiz ist geil“- und „Ich bin doch nicht blöd“-Dogmen kommen schließlich aus der selben Richtung. Groteske Züge nimmt mittlerweile der Protektionismus der Musikindustrie an. Kunden werden zu Schwerverbrecher deklariert, jeder Käufer ist ein Schläfer. Schlaue Ingenieure entwickeln Kopierschutzmechanismen und digitale Rechtemanagement-Systeme. Ähnlich wie im „Kampf“ gegen den Terrorismus findet auch hier eine Entmündigung der Bürger (respektive Konsumenten) statt und größtenteils merken sie es noch nicht einmal.
So praktisch und bequem die neuen Möglichkeiten der Bezugsmöglichkeiten über das Internet sind, so mindern sie meiner Meinung nach aus oben genannten Gründen doch den Wert von Musik. Es bleibt hier immer ein fader Beigeschmack des Bewusstseins, mal wieder von kapitalistischen Kräften über den Tisch gezogen worden zu sein. Bevor aber der Eindruck erscheint, ich sei ein fatalistischer Gegner der Internetdistribution, muss ich noch sagen, dass auch ich gelegentlich Internetplattformen zum Musikkauf (Betonung auf Kauf!) verwende. Die Unmittelbarkeit der Verfügbarkeit ist nun mal ein nicht von der Hand zu weisender Vorteil. Allerdings kaufe ich auch CDs und Vinyl, wobei ich mir vorgenommen habe in nächster Zeit letzteres mehr zu fokussieren.
Dabei wird mir bewusst, dass die Frage nach dem Wert von Musik durchaus eine Frage des Formates ist, und nicht unabhängig davon beantwortet werden kann. Vinyl erlangt durch das Auftauchen von iTunes und Co für mich einen höheren Wert, oder anders gesagt, derselbe Song hat auf meiner Festplatte einen geringeren Wert als auf Vinyl. Warum ist das so? Nun, hier kommen wir wieder zu den Kosten. Sich einen Song auf Vinyl zu besorgen und zu hören, erfordert wesentlich höhere Transaktionskosten als sich den Song einfach runterzuladen. Die Bereitschaft, solche Transaktionskosten zu tragen, definiert wiederum den persönlichen Wert.
Ein paar Sätze noch zu folgender Aussage:
MikkoWomöglich gibt es in einigen Jahrzehnten tatsächlich Popstars, deren Aufnahmen man nur noch individuell runterlädt und im I-Pod – oder was immer dann en Vogue ist – mit sich rumträgt. Aber wie bestimmt sich dann der Wert dieser Aufnahmen? Potenziert er sich im Verhältnis zur Zahl der Downloads, oder wie? Werden nicht trotzdem Hunderttausende Musikliebhaber manipuliert, indem man ihnen einredet, dass Sänger XY der beste und glaubwürdigste ist? Bedeutet das nicht eine unsägliche schreckliche Gleichmacherei? – Oder ist es die absolute Befreiung? Der Sieg der vollkommenen Individualität? Jedem seine eigenen TOP 100! Und keine gleicht den anderen. Wie unfassbar wundervoll – und dämlich. Wird nicht Musik auf diese Art zu etwas völlig Beliebigem, Wertlosem?
Die Manipulation von Musikliebhaber ist doch auch schon heute gang und gebe, dafür braucht es keine Downloadstatistiken, sondern nur Media Control…
Ich sehe im Internet durchaus die Chance der Individualität, wenn auch nicht der vollkommenen (gibt es eine vollkommene Individualität in einer Gesellschaft überhaupt?). Es gibt im Internet mittlerweile etwas, was der Computerbuchverleger Tim O’Reilly die „Architecture of participation“ nennt (als ein Bestandteil des Web 2.0-Konzeptes). Diese eigentlich ganz simple Architektur beschreibt, dass der User einem System Inhalte (und damit Werte) hinzufügen. Ich möchte als Beispiel das Musikportal www.last.fm nennen, da ich mich aktuell ganz fasziniert mit diesem Portal auseinander setze. Hier kann jeder User nämlich wie in Deiner Aussage beschrieben, seine ganz eigenen Top 100-Listen erstellen und ich finde es alles andere als beliebig und wertlos. Aber ich denke, die Auswirkungen der Strukturveränderungen im Internet und der daraus entstehende Einfluss auf die Musik an sich muss hier nicht weiter vertieft werden. Vielleicht mache ich beizeiten dafür mal einen eigenen Diskussionsthread auf.
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You can't fool the flat man!