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Mitch, ich bin mir nicht sicher, ob ich mich von dir verstanden fühlen kann. Das könnte natürlich daran liegen, dass das Thema wirklich kompliziert ist und ich selbst mich noch an meine Thesen herantaste.
Im Kern geht es wohl darum: Wann beurteilen wir etwas als schön? Sind dafür allein emotionale Gesichstspunkte maßgeblich oder gibt es ein sozusagen meta-emotionales Sensorium für Ästhetik? Die Frage wird im Abendland seit etwa 2500 Jahren diskutiert!
Im Ausgangspunkt bin ich bei allen Fragen erkenntnistheoretischer Natur Subjektivist. Weil wir aber offenbar ein Bedürfnis haben, uns auch über ästhetische Fragen auszutauschen, müssen wir den Zustand des reinen Subjektivismus verlassen.
Bleiben wir beim Blues: Man kann den Blues genießen, weil man
1. seine gegenwärtige oder latente Gefühlslage vom Künstler zutreffend dargestellt und ausgedrückt findet. Das ist die naheliegendste Variante.
2. könnte es sein, dass man die Emotion oder sogar die ihr zugrundeliegende Haltung des Künstlers überhaupt nicht teilt. Durch die Fähigkeit zur Empathie kann man sie aber nachvollziehen und deshalb goutieren; das ist wohl das, was du mit „Bild“ meinst. Problematisch wird es aber erst bei
3., einer Ebene des Musikgenusses, die über 1) und 2) hinausgeht. Hier geht es zum Einen um Vorbildung, also Stilkenntnis und sonstiges musiktheoretisches Wissen. Zum Anderen beobachte ich bei mir selbst, dass ich oft und zunehmend häufiger Musikdarbietungen als stimmig und gelungen, mithin ästhetisch bewerte, ohne sagen zu können, welcher Emotion dieser Eindruck eigentlich zuzuordnen ist.
Es ist wie in den bildenden Künsten: Bei rein ornamentalen oder nicht gegenständlichen Darstellungen verliert man schnell den emotionalen Anknüpfungspunkt. Die Emotion mag in sehr sublimierter Form immer noch da sein. Doch sie ist offensichtlich nicht das Anliegen des Künstlers. Ihm geht es um eine Auseinandersetzung mit Form und Farbe an sich, letztlich um die Schönheit als solche. Die Kunst wird abstrakt nicht nur vom Gegenstand, sondern auch von der Emotion (soweit eben möglich).
Diese Bedeutungsebene gibt es auch bei Musik. Man erkennt sie leichter bei Instrumentalmusik, Klassik oder Jazz. Sie ist aber auch bei John Lee Hooker, den Ramones oder Mitch Ryder und seinen Rädern vorhanden. Nur drängt sich hier die konkrete Emotion stärker in den Vordergrund.
Auf so viel Geschwafel erst mal ein :laola0:
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There is a crack in everything; that's how the light gets in. (Leonard Cohen)