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Hallo Forum,
jetzt war ich ein Weilchen nicht hier, und schon ist der Thread gar mächtig angeschwollen. Ich gebe zu, den größten Teil nur überflogen zu haben, aber ich bin trotzdem so anmaßend, hier in die sich entspinnende Meta-Diskussion einzusteigen.
1) Der „Wert von Musik an sich“ – es wurde schon mehrfach gesagt – hat mit dem verwendeten Datenträger eher wenig zu tun.
Die klanglichen Unterschiede sind so gering, dass sie ohnehin nur High-End-Freaks interessieren, die von vornherein keine Beatles- oder Oasis-Songs anhören, weil die ihnen viel zu wenig audiophil aufgenommen sind (selber schuld).
Die sonstigen Argumente für oder gegen bestimmte Tonträger/Formate sind eher sentimentaler Natur. Es geht um Haptik und liebgewonnene Sammlungen. Das kann ich gut nachvollziehen, weil es mir selbst so geht. Mit dem Wert von Musik hat das allerdings nix zu tun.
Abgesehen davon glaube ich durchaus, dass gute Klangqualität etwas mit dem Wert von Musik zu tun hat. Über eine gescheite Anlage (viel wichtiger als das Quellgerät ist der Schallwandler!) klingt es einfach transparenter, detailreicher, farbiger, dynamischer, präsenter, lebendiger. Hier wird Musik behandelt als ein wertvolles Kulturgut, das die ungeteilte Aufmerksamkeit verdient, statt nur am Rande konsumiert zu werden. Aber selbstverständlich macht ein guter Song auch über ein Kofferradio Spaß.
2) Es fällt auf, dass der – selbstverständlich nicht bezifferbare – „Wert von Musik an sich“ meist im Emotionalen gesucht wird. Ich will nicht bestreiten, dass Musik etwas mit Emotionen zu tun hat. Trotzdem wage ich die These, dass dies am eigentlichen Kern vorbei geht.
Letztlich ist Musik – so wie Kunst im Allgemeinen – der Versuch des Menschen, seine eigene Existenz zu transzendieren. Es handelt sich um ein sehr abstraktes ästhetisches Unterfangen, bei dem der Mensch versucht, die Schönheit selbst zu fassen zu riegen oder mit ihr in Zwiesprache zu treten. Wozu das gut sein soll, weiß ich auch nicht; Menschen machen so was eben.
Was ich meine wird vielleicht deutlicher, wenn wir über den Tellerrand der geschätzten Populärmusik hinaus schauen. Popmusik trägt ihren emotionalen Gehalt sozusagen auf der Stirn geschrieben. Das macht sie so zugänglich und folglich populär. Hinzu kommt, dass sie meistens mit Texten versehen ist, die diesen Effekt noch verstärken.
Bei einem barocken Concerto oder einer Jazz-Improvisation ist das mit dem emotionalen Gehalt, nunja, etwas subtiler. Wenn der Solist erfindungsreich ist und dennoch den roten Faden nicht verliert, dann hat dies eine Qualität, die als künstlerisch wertvoll betrachtet werden muss, ohne dass damit irgendeine Aussage über die Emotionalität des Vortrags verbunden ist. Es ist eben einfach schön, so wie meinetwegen eine Wolkenformation oder sonst ein Naturschauspiel schön sein können. Und der Betrachter empfindet daran ein Wohlgefallen, das direkt keiner sonstigen Emotion zuzuordnen ist.
Fazit: Der „Wert von Musik an sich“ ist in erster Linie ein abstrakt-ästhetischer, kein emotionaler. Was warum von wem als schön empfunden wird, wäre genug Diskussionsstoff für weitere 500 Seiten. Ein wichtiger – wenn auch nicht der einzige – Aspekt bei der Bestimmung des Schönen ist selbstverständlich die Emotionalität.
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There is a crack in everything; that's how the light gets in. (Leonard Cohen)