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Mistadobalina postete:
Vielen Dank, Santander, für diesen Beitrag. Die hier geschilderte Skepsis dem iPod gegenüber kann ich allerdings nicht verstehen. Viele Leute – auch ich – benutzen den iPod nicht nur um ihre Lieblingssongs zu hören, sondern natürlich auch um mp3s von neuen, spannenden Künstlern zu hören. Ich verstehe nicht, wie so ein Vorurteil entstehen kann. Warum sollten meine Musikgewohnheiten zu Hause sich von denen unterwegs unterscheiden? Ein Mensch mit iPod kann durchaus genauso neugierig auf musikalisches Neuland sein wie einer, der auf mobile mp3.Player verzichtet.
Wieso verhindert ein iPod „innovative Strömungen und Untergrundbewegungen“? Ich kenne Musiker und Produzenten, den iPod dazu benutzen, sich gegenseitig ihre neuesten Werke vorzuspielen, Kids, die Musik aus dem Netz Musik unter einander austauschen und Leute wie ich, die Podcasts abonniert haben, wo ständig neue Musik vorgestellt wird. Aber vielleicht magst du ja mal genauer erklären, was gemeint war.
Hallo Mistadobalina, danke für Deinen Beitrag und entschuldige meine späte Antwort, bin in diesen Tagen leider zeitlich sehr eingebunden und kann erstmal nur flüchtig mitlesen.
Ich hatte gar nicht vor, den iPod prinzipiell zu kritisieren oder gar zu verurteilen, sondern nur die Gefahr anzusprechen, die auch John Peel sah, als er sagte: „Ich finde, der iPod wirkt sich zu sehr gegen neue Musik aus. Die Leute laden ihre Favoriten drauf und hören nur noch die.“ ( http://zeus.zeit.de/text/2004/36/John_Peel ) Da sich Peel in diesem Artikel ziemlich kurzangebunden äußert, wollte ich das noch etwas interpretieren und schrieb deshalb, dass nach Peel der iPod innovative Strömungen und Untergrundbewegungen verhindere und eine Art angepasstes, rein restauratives Hören von Schondagewesenem begünstige. Klingt natürlich sehr absolut, so radikal war’s aber nun auch nicht gemeint. Wie gesagt: Es geht um eine Gefahr, die in diesen Medien liegt, um eine bestimmte Tendenz, die ihnen innewohnt, nicht mehr, aber auch nicht weniger.
Peel verstand schon was von kulturellen Strömungen und Entwicklungen; insofern würde ich diese Warnung auch durchaus ernst nehmen. Was er anspricht, bezieht sich offenbar auf das Gros der Hörer, also gewissermaßen auf die gesamte Kultur, nicht auf diejenigen, die auch anders damit umgehen, es schöpferischer einsetzen können, eben so wie die von Dir genannten Musiker und Produzenten (und Du selbst). Und es waren womöglich die jüngeren Hörer angesprochen, die Vinylplatten und Plattenspieler nur noch aus dem TV als DJ-Werkzeuge oder -instrumente kennen. In diesem Forum und hier im Thread ist die Gefahr von Übersättigung, Verflachung des Hörverhaltens usw. ja auch immer wieder angesprochen worden. Was Peel mit „neuer Musik“ meint, ist offensichtlich nicht das, was aktuell in den Charts ist, denn das gehört zu den „Favoriten“, die sich „die Leute draufladen“. Ich selber kenne Jugendliche, die in kurzer Zeit suchtartig mehrere tausend neuere MP3s heruntergeladen haben, wobei natürlich kaum mehr Zeit für genaueres Hinhören und Differenzierungen blieb. Schon heute kennen manche Leute noch nicht mal den Interpreten eines Titels, den sie mögen: „Wer hat es denn gesungen? “ – „Äh, ähem… V. A!?!?“ – Various Artists halt . ;) Da werden die Ohren (und mithin das Denken) doch eher mit dem Allzuvielen zugekleistert, und es bleibt kein Raum für die Entfaltung innovativer Bewegungen.
Ich glaube allerdings nicht, dass Peel total davon überzeugt war, eine bestimmte Art von Musik sei untrennbar gebunden an ein einziges Trägermedium, denke eher, dass auch er früher oder später die eine oder andere MP3 präsentiert, manche Tracks auch von USB-Sticks, vom iPod oder gleich von der Festplatte aus gespielt hätte, wenn sie nur in diesem Format zugänglich gewesen wären. Bei seiner Art der Präsentation wäre das dann auch ganz sicher nicht steril und seelenlos rübergekommen. Ich stimme Dir also grundsätzlich zu, dass es auf die individuelle Art des Umgangs mit diesen Medien ankommt, betone aber auch, dass nicht jeder eine solche Art des Umgangs schon von Hause aus mitbringt, sondern dass man sie erst lernen muss, was gegenwärtig und künftig etwas erschwert wird durch das angesprochene Überangebot.
Ich selber habe übrigens gar keinen iPod, da ich unterwegs keine Musik höre, dafür aber auch eine ganze Masse MP3’s, die ich hier am Rechner höre oder auch brenne, wenn ich mit ihrer Qualität halbwegs zufrieden bin. Und wenn ich jetzt lese, dass Microsoft ein ähnliches Produkt wie den iPod auf den Markt bringen wird, dann bin ich als Linux-Freund doch sogleich auch sehr engagiert FÜR den iPod. ;)
Zu den anderen Themen später mehr, viele Grüße :)
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